Der siebte Schrein
mit allen gebührenden Ehren empfangen. Der Name des Hauses Damodred war bekannt, wenn auch nicht ihrer, und da König Laman tot war, konnte jede Damodred den Sonnenthron besteigen. Wenn er nicht von einem anderen Haus erobert wurde. Man gab ihr ihrem Rang entsprechende Gemächer, drei Zimmer mit Blick nach Norden, über die Stadt hinweg zu höheren, schneebedeckten Gipfeln, und teilte ihr Mägde zu, die sich beeilten, die messingbeschlagenen Kisten der Lady auszupacken und heißes, aromatisiertes Wasser einzugießen, damit die Lady sich waschen konnte. Niemand außer der Dienerschaft würdigte Suki, die Zofe der Lady Moiraine, auch nur eines Blickes.
»Na gut«, murmelte Siuan, als die Diener sie endlich allein im Wohnzimmer ließen, »ich gebe es zu, ich bin bei diesem Unternehmen unsichtbar.« Ihr dunkelgraues Kleid war aus feiner Wolle, aber vollkommen schmucklos, abgesehen von Kragen und Manschetten in den Farben von Damodred. »Du dagegen fällst auf wie ein Hochlord beim Rudern. Licht, ich hätte fast meine Zunge verschluckt, als du gefragt hast, ob sich Schwestern im Palast aufhalten. Ich bin so nervös, daß nur allmählich schwindlig wird. Ich kann kaum atmen.«
»Das ist die Höhe«, versicherte Moiraine ihr. »Daran gewöhnst du dich. Jeder Besucher hätte nach Aes Sedai gefragt; du hast ja gesehen, die Dienerinnen haben nicht mit der Wimper gezuckt.« Sie hatte allerdings auch den Atem angehalten, bis sie die Antwort gehört hatte. Eine einzige Schwester hätte alles verändert. »Ich weiß nicht, wieso ich dir das immer wieder sagen muß. Ein Königspalast ist kein Gasthaus; ›Ihr könnt mich Lady Alys nennen‹, damit würde sich hier niemand zufriedengeben. Das ist eine Tatsache, keine Meinung. Ich muß ich selbst sein.« Die Drei Eide erlaubten einem sowohl zu sagen, was man für die Wahrheit hielt, selbst wenn man es nicht beweisen konnte, als auch, um die Wahrheit herumzutänzeln; nur Worte, von denen man genau wußte, daß sie Lügen waren, kamen einem nicht über die Lippen. »Ich würde vorschlagen, du machst dir deine Unsichtbarkeit zunutze und siehst zu, was du über Lady Ines herausfinden kannst. Ich würde mich freuen, wenn wir so schnell wie möglich wieder abreisen könnten.«
Das wäre morgen, ohne jemanden zu beleidigen oder für Gerede zu sorgen. Siuan hatte recht. Aller Blicke im Palast würden auf die fremdländische Adlige gerichtet sein, deren Haus den Aiel-Krieg angefangen hatte. Jede Aes Sedai, die nach Aesdaishar kam, würde sofort von ihr hören, und jede Aes Sedai, deren Weg sie durch Chachin führte, könnte nachsehen kommen. Siuan hatte recht; sie stand wie eine Zielscheibe auf einem Podest und hatte keine Ahnung, wer der Bogenschütze sein könnte. Morgen, so früh wie möglich.
Siuan ging hinaus, kehrte aber umgehend mit schlechten Nachrichten zurück. Die Lady Ines war in Klausur und trauerte um ihren Gemahl. »Er ist vor zehn Tagen beim Frühstück tot in seinen Haferbrei gefallen«, wußte Siuan zu berichten, ließ sich auf einen Sessel im Wohnzimmer sinken und den Arm über die Rückenlehne baumeln. Anstandslektionen hatte sie ebenfalls schnell wieder vergessen, nachdem sie den Schal bekommen hatte. »Ein wesentlich älterer Mann, aber es scheint, als hätte sie ihn geliebt. Man hat ihr zehn Zimmer und einen Garten auf der Südseite des Palastes gegeben; ihr Mann war ein enger Freund von Prinz Brys.« Ines wollte einen ganzen Monat für sich bleiben und außer ihren engsten Verwandten niemanden empfangen. Ihre Dienerinnen kamen nur heraus, wenn es sich gar nicht vermeiden ließ.
»Eine Aes Sedai wird sie empfangen«, seufzte Moiraine. Nicht einmal eine Frau in Trauer würde sich weigern, eine Schwester zu empfangen.
Siuan sprang blitzartig auf die Füße. »Hast du den Verstand verloren? Lady Moiraine Damodred erweckt genug Aufmerksamkeit. Moiraine Damodred Aes Sedai könnte genausogut Reiter ausschicken! Ich dachte, unser Ziel war, wieder zu verschwinden, bevor jemand außerhalb des Palastes mitbekommt, daß wir hier sind!«
In diesem Augenblick kam eine der Dienerinnen herein und verkündete, daß die Shatayan eingetroffen sei, um Moiraine zu Prinz Brys zu bringen, und sah zu ihrem Erstaunen Suki über ihrer Herrin stehen und mit dem Finger auf sie zeigen.
»Sag der Shatayan, ich werde zu ihr kommen«, sagte Moiraine gelassen, und kaum hatte die bestürzte Frau einen Knicks gemacht und sich entfernt, stand sie auf, um auf einer Ebene mit Siuan zu sein, was
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