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Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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blauen Schal über den Armen trug, von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Die Shatayan selbst führte Merean, und hinter der matronenhaften Schwester folgte eine ganze Karawane von Dienern, eine Frau trug ihre roten Reithandschuhe, eine den Mantel mit dem Pelzkragen, eine dritte den Hut aus dunklem Samt. Zwei Männer trugen Reisetaschen aus Korbgeflecht, die einer allein hätte tragen können, andere hatten die Arme voller Blumen. Einer Aes Sedai wurde mehr Ehre zuteil als einer bloßen Lady, wie hochgestellt ihr Haus auch sein mochte.
    Merean kniff die Augen zusammen, als sie Moiraine sah. »Eine Überraschung, dich hier zu sehen«, sagte sie langsam. »Aus deinem Kleid schließe ich, daß du deine Verkleidung aufgegeben hast? Aber nein. Immer noch kein Ring, wie ich sehe.«
    Moiraine war so verblüfft über das plötzliche Auftauchen der anderen Frau, daß sie kaum mitbekam, was sie sagte. »Seid Ihr allein?« stieß sie hervor.
    Einen Moment kniff Merean die Augen zu Schlitzen zusammen. »Larelle hat beschlossen, ihrer eigenen Wege zu gehen. Nach Süden, glaube ich. Mehr weiß ich nicht.«
    »Ich hatte an Cadsuane gedacht«, sagte Moiraine und blinzelte überrascht. Je mehr sie über Cadsuane nachgedacht hatte, desto überzeugter war sie gewesen, daß die Frau eine Schwarze Ajah sein mußte. Larelle überraschte sie. Larelle war so versessen darauf gewesen, Chachin zu erreichen, und zwar unverzüglich. Natürlich konnte man seine Pläne ändern, aber plötzlich fiel Moiraine etwas auf, das offensichtlich hätte sein sollen. Schwarze Schwestern konnten lügen. Es war unmöglich - die Eide konnten nicht gebrochen werden! -, und doch mußte es so sein.
    Merean trat dicht an Moiraine heran, und als Moiraine einen Schritt zurückwich, folgte sie ihr. Moiraine hielt sich aufrecht, reichte der anderen Frau aber trotzdem nur bis zum Kinn. »Bist du so versessen darauf, Cadsuane zu sehen?« fragte Merean und sah auf sie herab. Ihre Stimme klang freundlich, das glatte Gesicht war versöhnlich, aber ihre Augen waren kalt wie Stahl. Unvermittelt sah sie die Diener an und schien zu merken, daß sie nicht allein waren. Der Stahl verblaßte, verschwand aber nicht ganz. »Cadsuane hatte recht, weißt du. Eine junge Frau, die sich einbildet, daß sie mehr wüßte, als sie tatsächlich weiß, kann sich in große Schwierigkeiten bringen. Ich schlage vor, du bist ganz still und leise, bis wir miteinander reden können.« Die Geste, mit der sie der Shatayan zu verstehen gab, sie solle weitergehen, war gebieterisch, und die würdevolle Frau gehorchte sofort. Ein König oder eine Königin konnten bei einer Shatayan in Ungnade fallen, aber niemals eine Aes Sedai.
    Moiraine sah Merean nach, bis sie um eine Ecke am anderen Ende des Flurs verschwunden war. Alles, was Merean gerade gesagt hatte, hätte von einer von Tamras Auserwählten stammen können. Schwarze Schwestern konnten lügen. Hatte es sich Larelle mit der Reise nach Chachin anders überlegt? Oder lag sie irgendwo tot, so wie Tamra und die anderen? Plötzlich stellte Moiraine fest, daß sie ihre Röcke glattstrich. Es fiel ihr leicht, die Hände still zu halten, aber ihr leichtes Zittern konnte sie nicht abstellen.
    Elis sah sie mit offenem Mund an. »Ihr seid auch eine Aes Sedai!« piepste die Frau, dann zuckte sie zusammen, weil sie es für eine drohende Geste hielt, als Moiraine zusammenzuckte. »Ich werde keinem ein Wort sagen, Aes Sedai«, sagte sie atemlos. »Ich schwöre es beim Licht und dem Grab meines Vaters!« Als hätte nicht jeder hinter Merean gehört, was sie gehört hatte. Sie würden nicht schweigen.
    »Bring mich zu Lan Mandragorans Gemach«, befahl Moiraine ihr. Was bei Sonnenaufgang richtig war, konnte sich am Nachmittag geändert haben, und dasselbe galt für das, was notwendig war. Sie nahm den Ring der Großen Schlange aus dem Beutel und steckte ihn an den Finger der rechten Hand. Manchmal mußte man alles auf eine Karte setzen.
    Nach einem langen, glücklicherweise wortlosen Fußmarsch klopfte Elis an eine rote Tür und sagte der grauhaarigen Frau, die öffnete, daß die Lady Moiraine Damodred Aes Sedai den König al´Lan Mandragoran zu sprechen wünsche. Die Frau hatte ausgeschmückt, was Moiraine ihr gesagt hatte. König, wahrhaftig! Es war ein Schock, als die Antwort überbracht wurde, daß Lord Mandragoran nicht den Wunsch habe, mit irgendeiner Aes Sedai zu sprechen. Die grauhaarige Frau sah wie vom Donner gerührt aus, machte aber die Tür

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