Der siebte Schrein
zufrieden? Habt Ihr Euch versichert, daß es eine wahre Schuld ist?«
»O ja«, sagte er leise, ohne sich zu ihnen umzudrehen. »Es ist eine wahrhaftige Knochenschuld, durch Magie gebunden, bis sie beglichen wird.«
Abby strich mit den Fingern über den ausgefransten Saum des Sacks. »Ich habe es Euch gesagt. Meine Mutter hätte mich niemals belogen. Sie sagte mir, wenn die Schuld zu Lebzeiten nicht beglichen werden würde, dann würde es nach ihrem Tod eine Knochenschuld werden.«
Der Zauberer wandte ihr langsam das runde Gesicht zu. »Und hat sie dir etwas darüber erzählt, wie die Schuld zustande kam?«
»Nein.« Abby warf Delora einen verstohlenen Seitenblick zu, ehe sie fortfuhr: »Hexenmeisterinnen hüten Geheimnisse und offenbaren nur das, was ihren Zwecken dienlich ist.«
Mit einem knappen, flüchtigen Lächeln bekundete er grunzend seine Zustimmung.
»Sie sagte nur, daß sie und Euer Vater an die Schuld gebunden seien und sie bis zur Begleichung auf die jeweiligen Nachfahren übergehen würde.«
»Deine Mutter hat die Wahrheit gesagt. Aber das bedeutet nicht, daß die Schuld jetzt beglichen werden muß.«
»Es ist eine feierliche Knochenschuld.« Abbys Angst und Hilflosigkeit machten sich mit Gewalt Luft. »Ich erkläre sie für fällig! Ihr werdet Euch an die Verpflichtung halten!«
Die Mutter Konfessorin und die Hexenmeisterin sahen zur Wand und schienen nervös zu sein, daß eine Frau, eine Frau ohne die Gabe, dem Ersten Zauberer gegenüber die Stimme hob. Abby fragte sich plötzlich, ob sie für diese Dreistigkeit tot umfallen würde. Aber wenn er ihr nicht half, wäre das sowieso einerlei.
Die Mutter Konfessorin vereitelte die möglichen Folgen von Abbys Aufbrausen mit einer Frage. »Zedd, hat deine Betrachtung dir etwas über das Zustandekommen dieser Schuld verraten?«
»In der Tat«, sagte er. »Auch mein Vater erzählte mir etwas von einer Schuld. Meine Prüfung hat ergeben, daß dies die Schuld ist, von der er gesprochen hat, und die Frau, die vor mir steht, die andere Hälfte des Bundes darstellt.«
»Und wie kam sie zustande?«
Er hob die Arme. »Das ist mir entfallen. Tut mir leid, ich habe festgestellt, daß ich in letzter Zeit vergeßlicher bin als sonst.«
Delora schniefte. »Und du wagst es, Hexenmeisterinnen verschlossen zu nennen.«
Zauberer Zorander dachte einen Moment nach und drehte sich dann mit zusammengekniffenen Augen zur Mutter Konfessorin um. »Der Rat möchte, daß es getan wird, ja?« Er lächelte verschlagen. »Dann soll es geschehen.«
Die Mutter Konfessorin legte den Kopf schief. »Zedd . . . bist du dir deiner Sache ganz sicher?«
»Welcher Sache?« fragte Abby. »Werdet Ihr die Schuld anerkennen oder nicht?«
Der Zauberer zuckte die Achseln. »Du hast verkündet, daß die Schuld fällig ist.« Er nahm ein kleines Buch vom Tisch und steckte es in eine Tasche seines Gewands. »Wer bin ich, dem zu widersprechen?«
»Gute Geister«, flüsterte die Mutter Konfessorin bei sich, »Zedd, nur weil der Rat -«
»Ich bin nur ein Zauberer«, sagte er und schnitt ihr das Wort ab, »der den Ansinnen und Wünschen des Volkes dient.«
»Aber wenn du dorthin reist, wirst du dich unnötig in Gefahr begeben.«
»Ich muß nahe der Grenze sein - sonst werde ich auch Teile der Midlands gefährden. Coney Crossing ist so gut wie jeder andere Ort, um den Flächenbrand zu entfachen.«
Abby, die außer sich vor Erleichterung war, hörte kaum mehr etwas von dem, was er sagte. »Danke, Zauberer Zorander. Danke.«
Er kam um den Tisch herum und hielt sie mit schlanken, überraschend kräftigen Fingern an den Schultern.
»Wir beide sind einander durch eine Knochenschuld verbunden. Die Pfade unserer Leben haben sich gekreuzt.« Sein Lächeln sah traurig und aufrichtig zugleich aus. Seine kräftigen Finger wurden um ihr Handgelenk geschlossen, um den Armreif, und er legte ihr den Schädel ihrer Mutter in die Hand. »Bitte, Abby, nenn mich Zedd.«
Sie nickte, den Tränen nahe. »Danke, Zedd.«
Draußen wurden sie im Licht der Dämmerung von der wartenden Menge empfangen. Zauberer Thomas winkte mit seinen Papieren und drängte sich durch.
»Zorander! Ich habe diese Elemente studiert, die du zur Verfügung gestellt hast. Ich muß mit dir reden!«
»Dann rede«, sagte der Erste Zauberer im Vorübergehen. Die Menge folgte ihm auf dem Fuß.
»Das ist Wahnsinn.«
»Ich habe nie etwas anderes behauptet.«
Zauberer Thomas schüttelte die Papiere wie als Beweis. »Das kannst du nicht
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