Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
um den lebendig gewordenen Tod.
    Der Zauberer hatte die Trennwand zwischen den Welten eingerissen.
    Abby wußte nicht, wieviel Zeit verstrich; im Griff des seltsamen Lichts, in dem sie schwamm, schien es keine Zeit zu geben, sowenig wie irgend etwas Festes. Keine der Empfindungen, an denen sie ihr Verständnis aufhängen konnte, hatte etwas Vertrautes.
    Abby hatte den Eindruck, als wäre die grüne Feuerwand im Wald auf den gegenüberliegenden Hügeln zum Stillstand gekommen. Die Bäume, über die sie hinweggeglitten war, und alle, die sie in der Umarmung des schimmernden Vorhangs sehen konnte, waren unter der durchdringenden Umarmung des Todes selbst schwarz geworden und verschrumpelt. Selbst das Gras, welches die schreckliche Erscheinung überrollt hatte, schien schwarz und trocken geworden zu sein wie von der Sonne im Hochsommer.
    Vor Abbys Augen wurde die Wand trüb. Sie schien in Intervallen zu erlöschen, manchmal war sie noch grün, glänzend wie geschmolzenes Glas, im nächsten Moment kaum mehr als eine blasse Andeutung, wie Nebel, der sich gerade auflöste.
    Auf beiden Seiten breitete sie sich aus, eine Mauer des Todes, die durch die Welt des Lebens zog.
    Abby merkte, daß sie den Fluß wieder hören konnte, das tröstliche, vertraute Plätschern und Blubbern, das sie ihr ganzes Leben lang gehört, aber in den seltensten Fällen wirklich zur Kenntnis genommen hatte.
    Zedd sprang von dem Felsen. Er nahm ihre Hand und half ihr auch herunter. Abby umklammerte seine Hand fest, um sich gegen das Schwindelgefühl in ihrem Kopf zu wappnen.
    Zedd schnippte mit den Fingern, worauf der Fels, auf dem sie gerade noch gestanden hatten, sich in die Luft erhob, so daß Abby erschrocken aufstöhnte. In einem so kurzen Augenblick, daß Abby bezweifelte, ob sie überhaupt etwas gesehen hatte, fing Zedd den Felsen auf. Er war zu einem winzigen Stein geworden, kleiner als ein Ei. Er blinzelte ihr zu, als er ihn in die Tasche steckte. Dieses Blinzeln schien ihr das Seltsamste zu sein, das sie sich vorstellen konnte, noch seltsamer als der Felsen, der nun ein Stein in seiner Tasche war.
    Am Ufer warteten die Mutter Konfessorin und die Hexenmeisterin. Sie nahmen ihre Arme und halfen ihr aus dem Wasser.
    Die Hexenmeisterin schaute grimmig drein. »Zedd, warum bewegt sie sich nicht?«
    Für Abby hörte es sich mehr wie ein Vorwurf als eine Frage an. Jedenfalls schenkte Zedd ihr keine Beachtung.
    »Zedd«, murmelte Abby, »es tut mir so leid. Es ist meine Schuld. Ich hätte sie nicht allein lassen dürfen. Ich hätte bleiben müssen. Es tut mir so leid.«
    Der Zauberer hörte ihre Worte kaum, sondern sah zu der Wand des Todes auf der anderen Seite des Flusses. Er hielt die zu Klauen geformten Finger an die Brust und schien etwas aus seinem Innersten zu beschwören.
    Mit einem plötzlichen Pochen in der Luft brach Feuer zwischen seinen Händen aus. Er hielt es hoch wie eine Opfergabe. Abby hielt sich rasch die Arme vor das Gesicht, um es gegen die Hitze abzuschirmen.
    Zedd hob den brodelnden Ball flüssigen Feuers. Er wuchs zwischen seinen Händen, wirbelte und kreiste und zischte vor Wut.
    Die drei Frauen wichen zurück. Abby hatte schon von diesem Feuer gehört. Sie hatte einmal mitbekommen, wie ihre Mutter mit gedämpfter Stimme davon gesprochen hatte: Zaubererfeuer. Schon damals, als ihre Mutter davon sprach, hatten diese geflüsterten Worte ein Bild vor Abbys Augen heraufbeschworen und sie mit Kälte erfüllt, obwohl sie es noch nie gesehen hatte. Zaubererfeuer war der Bann des Lebens, herbeigerufen, um einen Feind auszulöschen. Dies konnte nichts anderes sein.
    »Dafür, daß du meine Liebste getötet hast, meine Erilyn, die Mutter unserer Tochter, und alle anderen unschuldigen Geliebten unschuldiger Menschen«, flüsterte Zedd, »schicke ich dir, Panis Rahl, das Geschenk des Todes.«
    Der Zauberer breitete die Arme aus. Das flüssige blaue und gelbe, von seinem Meister herbeigerufene Feuer setzte sich in Bewegung, wurde immer schneller und raste dem fernen D´Hara entgegen. Als es den Fluß überquerte, wuchs es wie wütende, erblühende Blitze, heulte vor rachsüchtiger Wut und wurde vom Wasser in schimmernden Lichtpünktchen tausender greller Funken reflektiert.
    Das Zaubererfeuer schoß über die wachsende grüne Mauer dahin und streifte gerade noch den oberen Rand. Beim Kontakt loderten grüne Flammen hinauf, die teilweise mitgerissen wurden und dem Zaubererfeuer folgten wie Rauch den Flammen. Die tödliche Mischung

Weitere Kostenlose Bücher