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Der siebte Schwan - Mer, L: Der siebte Schwan

Der siebte Schwan - Mer, L: Der siebte Schwan

Titel: Der siebte Schwan - Mer, L: Der siebte Schwan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilach Mer
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zurücklässt, und wandte sich ab. Mit schnellen, kräftigen Zügen schwamm sie zurück in den See; erst als sie beinahe die Mitte erreicht hatte, drehte sie sich noch einmal um.
    »Geh nur, Menschenmädchen«, rief sie Mina zu, »geh, frag den Mond nach den Schwänen! Aber gib acht, er ist gefräßig, wie man sagt. Vor allem kleine Kinder schätzt er sehr.«
    Der Fischschwanz wühlte das Wasser auf. In einem Augenblick war sie verschwunden.
     
    Hinter Mina atmete Rosa tief aus.
    »Das hast du gut gemacht«, sagte sie. »Sie sind tückisch, die Wasserwesen. Und sie mögen uns nicht besonders. Aber
du hast der Nixe gefallen. Auch wenn sie so sonderbar dahergeredet hat, wie die Wasserleute es immer tun.«
    Sie stand auf und legte die Hand auf Minas Schulter.
    »Komm, wir wollen zurück zu den anderen gehen.«
    Aber Mina rührte sich nicht. Ihre Gedanken kreisten immer noch um die seltsamen Worte der Nixe. Den Mond befragen? Die Sonne, die unfreundlich war?
    Etwas kratzte an ihrer Aufmerksamkeit, wie Tausendschön an den Türen zu Hause, wenn er Einlass forderte. Sonne … Mond … und die Sterne …
    Die Symbole glühten hinter ihrer Stirn auf, eins neben dem anderen. Mina riss die Augen auf. Wie hatte sie sie vergessen können! War sie wirklich so sehr mit ihrem Kummer beschäftigt gewesen, dass sie sich nicht einmal gefragt hatte, was die eigentümlichen Zeichen bedeuteten, die Karol ins Nichts geschrieben hatte? Leuchtende Zeichen im dunklen Tal der Tänzerin …
    Aufgeregt drehte sie sich zu Rosa um, fuchtelte, zeigte, so heftig, dass ihr die Spieluhr beinahe ins Wasser fiel. Aber es half nichts, das merkte sie schnell. Rosas Augen blickten verständnislos, und schließlich sagte sie sanft:
    »Mina, komm. Was immer du sagen willst, es wird an jedem anderen Ort besser gehen als hier. Der Nebel liegt so schwer in der Luft, man versteht seine eigenen Gedanken kaum noch. Komm, Mina. Lass uns gehen.«
    Mina senkte den Kopf und nickte. Sie schloss das Medaillon und legte es in seine Schublade zurück. Als sie alles wieder in ihrem Bündel verpackt hatte, folgte sie dem leichten Druck von Rosas Hand und ließ sich von ihr den Stein hinunterführen.
    Sie schoben sich hintereinander zurück durch das Schilf.
Im Gehen fing Rosa an, die kleine Melodie zu summen, die sie auf Pipas Lippen aus dem Taterlager begleitet hatte; es klang wie ein Vögelchen, das in seinem Nest vom Morgen träumte.
    » Schwesterlein, Schwesterlein, wann gehen wir nach Haus? «, summte sie, und das Schilf wisperte. » Mein Liebster tanzt mit mir …«
    Sie stockte für einen Augenblick. Dann räusperte sie sich und sang lauter weiter: »… Lügt er, schenk ich ihn dir. / Brüderlein, Brüderlein, und mach mir nichts draus.«
     
    Das graue Wasser des Sees blinkte zwischen den Zweigen zum Hügel herüber, selbst in der Dunkelheit, nachdem Liljas Lampe längst erloschen war. Die Tater schliefen unruhig; Zinni strampelte im Schlaf, und von Lilja wehte ab und an ein Seufzen herüber.
    Mina hielt die Augen weit offen. Seit sie sich hingelegt hatte wie die anderen, kämpfte sie gegen den Schlaf, der sie wie der weiße Nebel einhüllen wollte. Es zog sie hinab in seine dunkle, warme Tiefe … Aber sie durfte nicht schlafen. Die Worte der Nixe schwirrten ihr durch den Kopf. Die Sonne … der Mond … Schwäne … Was war es noch gewesen, das sie gesagt hatte, wie beiläufig?
    Der Pug, der alte Pug. Das Wort hatte Mina kurz angesprungen und ihr aus kleinen, scharfen, wilden Augen ins Gesicht gestarrt, bevor es wieder davonsprang. Der Pug …
    Mina wusste, was Pugs waren. Jedes Kind wusste das, auch wenn sie nicht hätte sagen können, woher sie es wusste. Vage erinnerte Geschichten vielleicht, abends zum Einschlafen, als die Mutter noch nicht so schwach gewesen war. Geflüstertes unten bei der Küchentreppe. Ein flaches
Schälchen hinten im Garten, beim Abfallhaufen, das jeden Morgen mit frischer Milch gefüllt wurde. Tausendschön war es meistens, der sie trank, Mina hatte ihn gesehen, wie er vom Abfall kam und sich ein weißes Bärtchen genüsslich vom Mund leckte. Aber für ihn stand das Schälchen nicht dort.
    Es war ein Geschenk für den Pug, den Hausgeist, das Herdmännchen. In fast jedem alten Haus gab es einen. Oft schlief er in der Küche beim warmen Ofen, und wenn er verstimmt war, brachte er den ganzen Haushalt in Unordnung. Kühe gaben saure Milch, Hennen legten keine Eier mehr. Dinge verschwanden und tauchten an unmöglichen Stellen wieder auf,

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