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Der siebte Schwan - Mer, L: Der siebte Schwan

Der siebte Schwan - Mer, L: Der siebte Schwan

Titel: Der siebte Schwan - Mer, L: Der siebte Schwan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilach Mer
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versuchte, sie am Ärmel festzuhalten, aber Pipa riss sich los, ohne den Kopf zu drehen, und ging weiter rückwärts wie ein verschrecktes Pferd. Mina sah es fassungslos.

    Rosa packte ihre kleine Schwester an beiden Schultern, aber Pipa zog sie einfach mit sich, vom Tor weg, Schritt um Schritt.
    »Pipadscha«, wisperte Rosa, »Schwesterlein, komm, beruhig dich, beruhige dich doch.«
    »Ein Waisenhaus«, stöhnte Pipa, und dann drehte sie sich plötzlich um, schüttelte Rosas Hände ab und rannte geduckt den Weg hinunter.
     
    »Ich gehe nicht hinein«, sagte sie, als sie im Dickicht an der Straße kauerten und der gezinkte Felsen schweigend auf sie hinuntersah. »Nein, ich gehe nicht hinein.«
    Sie wiederholte es noch viele Male, die Arme um die Knie geschlungen, als könnte sie das Herz in der Brust so schützen gegen das, was sie vor dem Tor gepackt hatte. Rosa streichelte ihr über den Kopf und das Gesicht, so lange, bis Pipa endlich die Nase an Rosas Hals vergrub und sich von ihr umarmen ließ. Mina hörte ihr Schluchzen, halbverschluckt.
    Es gab nichts, was sie tun konnte. Selbst wenn sie wenigstens eine der tausend Fragen hätte stellen können, die in ihrem Kopf durcheinanderschossen, sie wäre nicht gehört worden. Eine Hülle aus Vertrautheit umschloss die beiden Schwestern, die sich hielten, gesponnen aus Pipas Schluchzen und Rosas Flüstern, und aus den Armen, die umeinandergeschlungen waren wie Pflanzen, die aus einer einzigen Wurzel wuchsen. Mina hatte keinen Anteil daran.
    Die sprudelnde Aufregung war in sich zusammengefallen, hatte nichts hinterlassen als den schalen Geschmack, etwas Furchtbares getan zu haben, ohne zu wissen, wie es geschehen war. Mina hockte abseits und starrte aus trockenen
Augen zu dem roten Dach hinüber, das auf den Bäumen saß wie eine Kappe. War es wirklich erst ein paar Atemzüge her, dass sie davor gestanden hatte? Wie nah hatte sie sich an einer Lösung gefühlt, wie sicher, als sie zu den Kinderbildern aufgesehen hatte. Von selbst tasteten ihre Finger im Bündel nach der Spieluhr. Was sie fanden, war das Medaillon, das lose zwischen den anderen Sachen lag. Auf der wilden Flucht den Weg hinunter musste sich die Schublade geöffnet haben.
    Mina zog es heraus, hielt es in der flachen Hand, ohne es zu öffnen. Das kalte Metall erwärmte sich auf ihrer Haut, bis es sich anfühlte, als berührte es sie. Lange saß sie so, sah nur nach unten auf das Medaillon.
    Der Verschluss der Kette war aufgegangen. Sie strich mit dem kleinen Finger darüber, einmal, zweimal. Dann nahm sie die Kette auf und legte sie sich um den Hals.
    Das Medaillon hatte kaum Gewicht, als es gegen ihre Brust sank. Und doch spürte Mina es so deutlich wie einen zweiten Herzschlag. Vorsichtig schob sie es unter ihr Kleid.
    »Pipa wird nicht weiter mitkommen«, sagte Rosa, und Mina nahm wie schuldbewusst die Hände herunter. Rosas Gesicht war ernst, aber ein schwaches Lächeln streifte ihre Mundwinkel wie die erste Morgensonne ein Blütenblatt. Pipa lag immer noch in ihrem Arm. Sie hatte aufgehört zu schluchzen, aber sie sah Mina nicht an.
    »Hab keine Angst«, sagte Rosa, und es war nicht ganz klar, ob es Mina oder Pipa galt. »Es ist nicht so sehr schlimm. Pipa wird zu den anderen zurückgehen. Sie kann ihnen Bescheid geben, wo wir sind und das alles ganz … ganz in Ordnung ist. Du müsstest nur den Wald für sie rufen. Damit sie sicher gehen kann.«

    Das vorsichtige, schüchterne Bitten in Rosas Stimme biss Mina ins Herz. Sie nickte heftig, und noch mehr, als Pipa ihr langsam das verquollene Gesicht zuwandte. Friedlicher war es jetzt; aber die Angst krallte sich immer noch mit tausend dunklen Spinnenbeinen in ihren verweinten Augen fest.
    Mina hob die Hände, was so viel bedeuten sollte wie: Jetzt? Rosa nickte und half Pipa dabei aufzustehen.
    »Es tut mir leid«, murmelte das Tatermädchen. Mina hätte Pipa gern in den Arm genommen, wie Rosa es getan hatte. Aber sie wusste, dass sie es nicht konnte. Und weil sie es wusste, konnte sie es nicht.
    Es gab für sie nur eins zu tun. Sie biss die Zähne aufeinander, während sie die Augen zukniff. Es durfte nicht scheitern. Nicht jetzt.
    Aber der Wald kam so leicht und so bereitwillig, als habe er nur auf ihren Ruf gewartet. Der Duft von Moos und feuchter Rinde stieg ihr in die Nase, während sie noch die kratzenden Dornen an ihren Armen spürte. Sanfte grüne Wellen spülten das Grau davon, sie hörte das Rauschen in den Blättern und Rosas erleichtertes

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