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Der siebte Schwan - Mer, L: Der siebte Schwan

Der siebte Schwan - Mer, L: Der siebte Schwan

Titel: Der siebte Schwan - Mer, L: Der siebte Schwan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilach Mer
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gesenktem Kopf, wie ein beschämter Junge. »Und ich habe Rosa alles erzählt. Ich will mich nicht herausreden, Mina. Ich musste es tun, aber es war falsch. Und es gibt keine Entschuldigung.«
    Oh doch, dachte es in Mina. Doch, die gibt es. Ich kann nicht sagen, dass ich wirklich verstehe, was sie bedeutet. Aber ich weiß, dass es so ist. Ja. Ich weiß es jetzt.
    Sie hätte viel gegeben für ein Lächeln. Ein Lächeln hätte alles ohne Worte bereinigt.
    Im Gras machte der Kater ein Geräusch, das fast wie ein verlegenes Hüsteln klang.
    »Wenn nun also alles wieder in Ordnung ist und wir hier mit den dramatischen Szenen allmählich zum Ende kommen könnten …«
    Pipa kicherte, gleich danach Zinni. Zwischen Rosa und
Viorel nickte Mina erleichtert, mit einem kleinen Ziepen in den Mundwinkeln.
     
    Sie blieben auf dem sanften Hügel dicht an der Schlei, an jenem Ort, der der Finstere Stern hieß. Und als Mina zwischen den anderen saß, warm eingewickelt in eines von Liljas Umschlagtüchern, träge von Unmengen Brot und Kräutern und Wasser, verstand sie auch endlich, warum er so hieß. Vom Hügel aus sah man auf das Wasser, das ruhig dahinfloss, mit Wellen, die nicht mehr als nachdenkliche Traumfalten auf dem Gesicht des Flusses waren. Von ihnen kam das bläuliche Licht.
    Winzige Flämmchen tanzten auf dem Wasser. Sie bewegten sich hin und her, umkreisten einander, verschwanden kurz, tauchten wieder auf. Sie verloschen nicht, und es war nichts zu sehen, auf dem sie befestigt gewesen wären. Sie schienen aus dem Wasser selbst zu kommen.
    »Hier«, sagte Lilja, die Minas staunenden Blicken folgte, »hier soll ein König ruhen; im Fluss, unter den Wurzeln der Bäume. Ein großer, mächtiger König, den sein eigener Bruder erschlug. Er stürzte in die Schlei, und sein Blut vermischte sich mit dem Wasser. Die kleinen Flammen, so sagt man, zeigen die Stelle, an der er schläft. Schläft, bis das Land ihn zurückruft zum letzten großen Kampf.«
    Unwillkürlich dachte Mina an Karol, und an den Holunder. Das rote Pferd graste nicht weit von ihnen unter den Bäumen, ein friedlicher Schemen in der Nacht; nur das Sirren seines Schweifes war ab und an zu hören, wie er seidenweich durch die Nacht wischte. Es war kaum noch vorstellbar, dass es vor einigen wenigen Stunden schnell wie der Teufel über die Wiesen gejagt war …

    »Ja«, sagte Nad, als ob er Minas Gedanken von Lilja übernähme, »ein rotes Teufelspferd ist eine Sache für sich. Man muss schon wissen, wie man damit umgeht. Der Doktor wusste es nicht. Er will nur herrschen, bezwingen. Nicht verstehen. Kein Wunder, dass es lieber deinem Weg gefolgt ist, als es die Möglichkeit sah.«
    Sie sah ihn fragend an.
    »Viorel sagt, dass es aus dem Hof des Waisenhauses entkommen ist, losgerissen, in dem Durcheinander, als alle nach dir suchten. Niemand konnte es wieder einfangen. Erinnerst du dich nicht?«
    Verschwommen war alles in der trägen Wärme. Mina dachte an das kalte Haus, den Hof, die Gestalten … Das schrille Wiehern hallte in ihr auf, das Wiehern und das Hufgeklapper - und ein rasender Schemen vor dem bleichen Mond.
    Nachdenklich nickte sie.
    »Nur einem konnte es gelingen. Einem, und er fand es auch. Fand es, weil er wusste, dass es gebraucht werden würde. Von dir, Mina. Aber selbst Karol brauchte seine ganze Kraft, um das Teufelspferd zu zähmen.«
    Karol …
    Mina starrte auf die tanzenden Flämmchen. Es war immer noch kühl an ihrem Rücken. So kühl, obwohl das Umschlagtuch sie wärmte.
    In der Nacht schlief sie nicht tief, trotz aller Müdigkeit. Unruhige Träume begleiteten sie.
    Karol kam nicht zurück.
     
    Sanft, beinahe unmerklich vergingen die Tage. Tage, in denen Mina nicht viel mehr tat, als bei den Tatern zu sein. Sie
aß sich satt an Liljas Essen und ließ sich von ihr die Wunden pflegen. Flickte die neuen Risse im Kleid. Erzählte mit Händen und Füßen und mit allen Wiesenblumen, die sie finden konnte, von ihren Abenteuern. Spielte mit Zinni im Gras, wusch mit Rosa Wäsche in der Schlei, wo die blauen Flämmchen sich verbargen, so lange die Sonne schien. Pipa kämmte ihr unter Gekicher die Haare aus, bestaunte laut jeden neuen abgebrochenen Zweig, jedes welke Blatt, das sie daraus hervorzog. Sie schenkte Mina eine ihrer eigenen Schleifen, um sie aus dem Gesicht zu halten. Mina knotete das schmale Bändchen so fest, dass es ziepte; so würde sie es sicher nicht verlieren. Und jedesmal, wenn sie den Kopf bewegte, freute sie sich an seinem leisen

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