Der siebte Schwan - Mer, L: Der siebte Schwan
an den Menschen, die unter ihren Nestern dahinwanderten. Nicht einmal Tausendschön schien sie zu beunruhigen, sie zwitscherten sorglos weiter, wenn er mit wilden Sprüngen aus einem Gebüsch gefaucht kam, auf der Jagd nach einem Falter oder einem flirrenden Lichtflecken.
Nur einmal, als Mina unwillkürlich über seine Verrenkungen lachte, flogen sie aus den Ästen auf, denn ihr Lachen hallte zwischen den Bäumen. Die Tater vorne drehten sich um, Zinni und Pipa rissen die Augen auf, Rosa ließ sich gleich anstecken. Tausendschön nickte ihr zu.
Mina lauschte dem Geräusch entzückt. Es war noch da, ihr Lachen. Kein noch so leises Hüsteln steckte mehr in ihrer Kehle, aber das Lachen flog leicht und frei aus ihrem Mund, ganz so wie immer. Sie hörte es bis hinunter in den Bauch.
Es fühlte sich an wie das wunderbarste Geschenk. Eine Weile probierte sie damit, versuchte, die einzelnen Geräusche, die es machte, das Prusten und Juchzen, allein hervorzubringen; es ließ sich nicht übertölpeln. Sie blieb stumm bei allem, was sie versuchte, aber als Tausendschön sich von einer aufgescheuchten Motte hypnotisieren ließ, die in ihrer Verwirrung mitten auf seiner Nase landete, da war es wieder da, so hell und so schön wie zuvor. Schließlich ließ sie es dabei, und jedes kleine Kichern, das zwischen ihren Lippen hervorschlüpfte, erfüllte sie mit warmer Freude.
Die Tater schienen es ähnlich zu empfinden. Nad ging langsamer, bis er neben ihr war, und erzählte ihr kleine, wunderliche Geschichten aus den Dörfern, wo er sein Schnitzwerk verkaufte, bis sie sich den Bauch halten musste. Rosa schnitt die fürchterlichsten Grimassen mit ihrem Blütengesicht. Zinni rannte um sie herum und zupfte an ihrem Kleid, und wenn sie versuchte, ihn zu fangen und es ihr nicht gelang, warf er sich auf den Boden, und das Lachen sprang von ihm zu ihr, jedes Mal.
Es war schwer zu sagen, wie lange sie gingen. Das Licht wandelte sich unter jeder Krone. Aber nach einer Weile hatte Mina das Gefühl, dass es voller wurde, wärmer, goldener. Die Lieder der Vögel veränderten sich, andere Stimmen tauchten auf. Es musste auf Mittag zugehen. Aber die Tater hielten nicht an, und Mina selbst hatte das Gefühl, sie
könnte noch so leicht dahinwandern, wenn schon die ersten Sterne zwischen den Blättern blinkten. Sie fühlte keine Müdigkeit, keine Erschöpfung. Als würde sie Kraft trinken aus der Luft, dem kühlen, duftenden Hauch, wie die Bäume. Nur ihre Füße, der linke Knöchel vor allem, schmerzten manchmal in den Stiefeln, wenn sie sich an einer Wurzel stieß, und das lange Kleid blieb gelegentlich an Zweigen hängen und behinderte sie.
Immer neue Blumen tauchten auf, erhoben ihre schimmernden Köpfchen hinter kleinen Hügeln, Stümpfen, Blätterhaufen und schlafenden Stämmen. Wenn Mina zurückblickte, sah sie, dass der Weg, den sie nahmen, sich hin und her wand wie eine Katze unter streichelnden Händen. Karol sah sie nicht wieder. Aber sie fühlte einen schmalen Raum von Stille, der zwischen den Bäumen umherging, ganz in ihrer Nähe. Es war beruhigend, ihn hinter sich zu wissen. Selbst wenn die roten Blumen auf einmal so plötzlich verschwinden sollten, wie sie auftauchten, würde er sie sicher zum Taterlock zurückbringen.
Dabei schien es im Wald nichts zu geben, vor dem man sich fürchten musste. Nicht einmal, als das Licht allmählich verblasste und die Schatten schwerer wurden. Das unsichtbare Rascheln und Huschen trug nicht einen Hauch von Bedrohung in sich. Das Rauschen in den Blättern blieb sanft und freundlich, auch als der Abendwind zu wehen begann. Nichts Übles verbarg sich hinter den Stämmen, wo der Wald langsam ein so dunkles Grün und Braun annahm, dass es fast schwarz wirkte.
Und es stand wirklich ein erster, blasser Stern gerade über Minas Kopf, als die Tater schließlich anhielten. Sie sah ihn
zwischen zwei Blättern, die wie Hände geformt waren. Sie wölbten sich um das schwache, weiße Licht, als wollten sie es vor dem Verlöschen beschützen. Sie lächelte, und das Gefühl, wie sich ihre Mundwinkel bewegten, tat ihr wohl.
Es war keine Lichtung, wo sie ihr Lager aufschlugen; nur ein kleiner Platz, den ein paar mächtige Stämme ließen, und es war auch kein wirkliches Lager, das sie errichteten. Lilja schob ein paar alte Zweige beiseite und enthüllte die kleine Quelle, die darunter geschlummert hatte; die Quelle und die graue Kröte, die danebenhockte, alle erbittert mit ihren Murmelaugen anstarrte
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