Der siebte Sinn der Tiere: Warum Ihre Katze weiß, wann Sie nach Hause kommen, und andere bisher unerklärte Fähigkeiten der Tiere (German Edition)
Richtung haben, die beispielsweise auf dem Wissen um irgendein Merkmal in der Umwelt basiert, ein Wissen, das andere Angehörige des Schwarms nicht haben. In diesen Modellen hat eine Minderheit von Individuen eine starke Präferenz, die meisten Angehörigen des Schwarms aber nicht. Indem sich jene Individuen in ihre bevorzugte Richtung bewegen, bewirken sie, dass sich der ganze Schwarm mit ihnen bewegt, wenn alle dazu tendieren, sich in die gleiche Richtung zu bewegen. Doch wenn einige Individuen der Minderheit sich in eine Richtung bewegen und andere sich in eine andere Richtung bewegen wollen, zeigen die Modelle, dass das Ergebnis von einer Art Mehrheitsvotum abhängt. Wenn die Anzahl der Vögel, die in verschiedene Richtungen fliegen wollen, annähernd gleich ist, kann sich die Schar teilen. Ist aber eine Mehrheit für eine bestimmte Richtung, wird sie sich durchsetzen, und die Schar wird sich in diese Richtung bewegen, ungeachtet der Minderheit, die in die andere Richtung fliegen will. [155]
Diese Modelle verdeutlichen, dass Gruppen wahrscheinlich nicht geschlossen bleiben und die Verbreitung von Informationen nicht erlauben, wenn einzelne Individuen nur auf andere Individuen reagieren, die ihnen ganz nahe sind. »Wenn die sensorische Reichweite vergrößert wird, verstärkt eine Reaktion auf eine größere Zahl von Nachbarn die Geschlossenheit und erlaubt eine effektive weitreichende Übertragung von richtungsweisenden Informationen.« [156] Doch auch wenn Modelle, die auf starken Präferenzen einer Minderheit von Vögeln basieren, einige Aspekte der Scharbewegung erklären mögen, so können sie doch nicht alle erklären, besonders wenn die Vögel sich nicht auf der Suche nach Nahrung oder sonst wie zielgerichtet bewegen, sondern einfach zusammen herumfliegen, wie Stare dies tun, bevor sie sich auf ihren Schlafplätzen niederlassen.
Eine neuere Studie untersuchte das Verhalten riesiger Scharen von bis zu 2600 Staren, die über dem Hauptbahnhof von Rom herumflogen. Die Stare sammeln sich gewohnheitsmäßig am Abend und fliegen zusammen bis zu 20 Minuten über ihren Schlafplätzen in spektakulären Flugfiguren. Dabei bilden sie scharf abgegrenzte, stark geschlossene Scharen. Ein Wissenschaftlerteam aus Ingenieuren und Physikern wollte die Flugbahnen der Vögel messen und richtete zwei Filmkameras rechtwinklig zueinander aus. Dann wurden die digitalen Aufnahmen mit Hilfe eines Computerprogramms analysiert, das einzelne Vögel verfolgen konnte, während sie sich innerhalb der Scharen bewegten. Das war eine komplexe technische Herausforderung, und kein Film dauerte länger als acht Sekunden, weil die Speicherkapazität der Aufnahmegeräte begrenzt war. Da die Kameras auch starr fixiert waren, konnten sie nur Stare in einem begrenzten Bewegungsbereich filmen, nämlich wenn sie fast horizontal flogen. Andere Aspekte des Scharverhaltens konnten sie nicht beobachten, etwa die Reaktion der Schar auf Attacken durch Raubvögel.
Eine detaillierte mathematische Analyse der Daten ergab, dass einzelne Vögel von bis zu sieben Nachbarn beeinflusst wurden. Entscheidend war die Anzahl der Nachbarn und nicht ihre Entfernung von einem bestimmten Vogel. Das heißt, Scharen von hoher wie von geringer Dichte wiesen ähnliche Muster einer Beeinflussung durch Nachbarn auf. [157]
Es gab noch einen weiteren wichtigen Befund: Wenn die Schar wendete, änderten alle einzelnen Vögel innerhalb der Schar die Richtung, statt auf parallelen Bahnen zu wenden. Nach einer 90-Grad-Wende nach links beispielsweise befanden sich die Vögel, die zuvor an der Front der Schar geflogen waren, rechts davon, während die Vögel, die auf der linken Seite geflogen waren, sich danach an der Front befanden. [158] Wenn der Flug von Vogelscharen durch ein morphisches Feld koordiniert wird, dann kann dieses Feld die Vögel durchaus auch dann weiterhin miteinander verbinden, wenn sie mit anderen Dingen beschäftigt sind. Wenn beispielsweise eine Gruppe von Vögeln auf Futtersuche ist und einige Angehörige der Gruppe eine gute Nahrungsquelle auftun, könnte sich diese Entdeckung durch das Feld der verstreuten Schar verbreiten und andere Angehörige der Gruppe auf sich aufmerksam machen, ja vielleicht auch anziehend auf sie wirken, so dass sie sich in die richtige Richtung begeben können.
Der Naturforscher William Long beobachtete, dass Vögel beim Finden von Nahrung anscheinend tatsächlich so reagieren. Er fütterte Wildvögel in unregelmäßigen Abständen
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