Der siebte Turm 01 - Sturz in die Dunkelheit
einen Eid geschworen. Vielleicht konnte er ihr vertrauen – zumindest, bis sie beim Schloss waren. Aber dann würde Tal eine ganze Menge neuer Schwierigkeiten bevorstehen…
KAPITEL VIER
Die nächsten fünf Tage und Nächte versuchte Tal, sich im Ruinenschiff umzuschauen. Doch wann immer er einen Vorhang lüften oder durch eine Tür gehen wollte, tauchte eine der Schildjungfrauen-Kadettinnen auf und führte ihn in einen Bereich, den er schon kannte.
Schließlich musste er sich damit abfinden, dass er sich nur in einigen wenigen Räumen aufhalten durfte: in der kleinen Schlafkammer, die man ihm zugewiesen hatte, im Saal des Reckoner und im Festsaal der Kadettinnen, in dem er seine Mahlzeiten einnahm. Allerdings sah er dort niemals etwas, was auch nur entfernt an ein Fest erinnerte. Manchmal durfte er auch in dem Zimmer bleiben, in dem Milla sich auf Anweisung der Mutter-Crone ausruhen musste.
Die einzige Kampfeskunst, die Milla auch im Bett trainieren konnte, war ihre schlechte Laune. Da Tal der einzige Mensch war, an dem sie sie ungestraft auslassen konnte, verlor er schnell die Lust, sie zu besuchen. Aber sonst gab es nichts anderes zu tun, außer vielleicht zuzusehen, wie die Schiffe und Kacheln auf dem Reckoner verschoben wurden. Und das war mindestens so langweilig wie die Unterrichtsstunden, die Lektor Jannem jedes Jahr über die Entstehung des Lichtes hielt.
Millas von den Cronen verordnete Bettruhe, über die sie sich sehr ärgerte, hatte jedoch auch eine positive Seite: Da auch sie sich langweilte, beantwortete sie sogar Tals Fragen. Die Schildjungfrauen-Kadettinnen sprachen nämlich kein Wort mit ihm, es sei denn, sie mussten ihn von etwas abhalten, was er nicht tun oder wohin er nicht gehen durfte.
„Warum gibt es hier keine Männer?“, fragte Tal Milla am zweiten Tag. Er hatte sich gerade unter einem Kissen weggeduckt, das sie nach ihm geworfen hatte. Er gab es ihr zurück und bemerkte dabei, dass die kränkliche graue Farbe aus ihrem Gesicht verschwunden war. Die normale Blässe war zurückgekehrt, die sie so überraschend zerbrechlich wirken ließ. Alle Eiscarls waren sehr bleich – viel bleicher als die Erwählten jedenfalls.
Die meisten Eiscarls hatten auch die gleiche Haarfarbe. Sie erinnerte an Sonnenschein, mit einem Hauch weißer Asche. Tals Haare waren schmutzfarben und gerade schulterlang. Er glaubte, dass man ihn vielleicht nicht mehr als Erwählten erkennen würde, wenn er sich die Haare kürzer schnitt.
„Keine Männer?“, brummte Milla. „Wo?“
„Na hier auf dem Ruinenschiff.“
„Ich habe dir doch gesagt“, fuhr sie ihn an, „dass dies das Hauptquartier der Schildjungfrauen ist. Es ist kein normales Clanschiff. Hier gibt es keine Familien, keine Kinder, keine Jäger und keine Selski. Die einzigen Männer, die hierher kommen, sind entweder Jäger, die sich verlaufen haben, Boten oder… ein Schwert-Thane.“
„Ein Schwert-Thane?“, fragte Tal. Das interessierte ihn.
„Frauen, die allen Clans dienen möchten, werden Schildjungfrauen“, erklärte Milla. „Aber Männer arbeiten nicht so gut zusammen, also werden die, die Gesetzeshüter und Schützer werden wollen, Schwert-Thanen.“
„Was bedeutet das?“
„Das weiß doch jeder.“ Milla runzelte die Stirn. „Manche Clans möchten lieber einen Schwert-Thanen haben, obwohl sie unzuverlässiger sind – und man sie nicht leicht findet. Ich glaube, sie sind eigentlich nicht mehr als eine halbwahre Sage.“
„Weshalb würden einige lieber einen Schwert-Thanen haben?“
„Wegen Schwierigkeiten!“, stieß Milla hervor. „Wenn du Schwierigkeiten hast, rufst du die Schildjungfrauen. Doch manchmal finden die Schwert-Thanen dich und deine Schwierigkeiten zuerst.“
„Aber sind Schildjungfrauen denn keine Helden?“, wollte Tal wissen. „Ich meine, du hast das Merwin getötet. Macht dich das nicht zur Heldin – und damit zum Schwert-Thanen?“
„Ich möchte eine Schildjungfrau werden, also muss ich auch versuchen, eine Heldin zu sein“, wiederholte Milla. „Aber nur ein Mann kann ein Schwert-Thane werden. Alle Schwert-Thanen sind Helden – aber nicht alle Helden sind Schwert-Thanen.“
„Wie meinst du das?“ Tal kam langsam durcheinander. „Wie nennt man einen Mann, der ein Held, aber kein Schwert-Thane ist? Wenn er eine Axt oder einen Speer benutzt?“
Milla gab keine Antwort. Sie nahm das Schwert aus Merwin-Horn, das immer an ihrer Seite war und hob es wie einen Speer hoch. Tal verzog
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