Der siebte Turm 01 - Sturz in die Dunkelheit
hätte es für einen Sinn gehabt, dich zu retten, wenn wir kein Ziel hätten?“
„Können wir bald gehen?“, fragte Tal. „Ich bin kein besonders guter Schwimmer.“
„Wirklich?“, fragte Ebbitt mit einem überraschten Blick. „Ich auch nicht. Ist das wichtig?“
Er hörte auf, seine Arme zu bewegen, versank aber nicht. Tal sah nach unten und bemerkte, dass der alte Mann auf seinem Geistschatten stand, der sanft unter ihm paddelte.
Tals Schattenwächter versuchte dasselbe. Um es auszuprobieren, hörte Tal ebenfalls auf zu paddeln, fuhr aber schnell damit fort, als er sofort zu sinken begann. Sein Schattenwächter hatte in seinem Zustand nicht die Kraft, ihn zu stützen.
Ebbitt schwamm weiter. Tal schien es, als wären sie Jahre so dahin geschwommen, bevor das Ende des Korridors im Licht von Ebbitts Sonnenstein auftauchte. Tal hatte eine Tür, eine weitere Luke oder einen anderen Ausgang erwartet, doch der Korridor endete in einer großen Kaverne, die halb mit Wasser gefüllt war. Die drei Seiten der Kaverne hatten viele Tunneleingänge verschiedener Größe, die mit kryptischen Zahlen beschriftet waren. Viele von ihnen lagen über der Wasseroberfläche.
Ebbitt zeigte auf einen Tunneleingang und sagte: „Der ist es. Das ist unserer. Kapillare 178 245 678 34567 – oder so ungefähr. Schmier dir das aufs Gesicht und auf die Hände.“
Er gab Tal ein Glas. Es war mit einem Deckel verschlossen, also musste Tal paddeln und das Glas gleichzeitig öffnen. Das hatte zur Folge, dass er mehrmals unter der Wasseroberfläche verschwand. Als Tal zum dritten Mal untertauchte, nahm Ebbitt ihm das Glas ab und schraubte schnell den Deckel ab.
„Kein schwieriges Unterfangen“, brummte Ebbitt, als er Tal das Glas zurückgab.
Tal spuckte ärgerlich Wasser aus. Es war ihm egal, dass es auch seinen Großonkel traf. Dann sah er in das Glas. Was auch immer es war, es roch grauenhaft und war eigenartig gelb. Und wie Tal Ebbitt kannte, war es überdies sicher vollkommen überflüssig.
„Was ist das?“, fragte Tal.
„Insektenschutzmittel.“
Tal zögerte. Es war sicherlich nicht sonderlich wichtig, sich mit einem Insektenschutzmittel einzureiben. Nicht jetzt, auch wenn das Zeug so aussah, als wäre es wasserfest.
„Die Leute, die das Schloss gebaut haben, dachten an alles“, sagte Ebbitt gedankenverloren, als er auf die Tunneleingänge zeigte und Zahlen vor sich hin murmelte. Tal zögerte noch immer, als sein Onkel hinzufügte: „Sie haben auch die recht faszinierenden Wasserspinnen geschaffen, vielleicht so groß, um sie in das Kühlsystem zu setzen, wo sie Fleischstücke, Leichen und alles andere auffressen, was hier hineingeraten konnte. Um alles sauber zu halten. Schade, dass die Spinnen dieses ekelhafte Kraut nicht auch fressen.“
Tal starrte Ebbitt eine Sekunde an und begann dann langsam, die gelbe Masse auf sein Gesicht und seinen Hals zu reiben. Er fragte sich, ob Ebbitt nicht wieder einen seiner Scherze gemacht hatte. Doch der alte Mann hatte beide Arme ausgestreckt, als er „vielleicht so groß“ gesagt hatte und so wollte Tal es nicht darauf ankommen lassen.
Als Tal fertig war, rieb sich auch Ebbitt mit dem Schutzmittel ein. Tal sah jetzt auch Reste von einer früheren Anwendung, also war die Sache wohl kein Witz gewesen. Dann kletterten beide hoch in den Tunnel – oder die Kapillare – auf die Ebbitt gezeigt hatte.
Sie war noch enger als die Heiztunnels, gerade breit genug, um zu kriechen. Tal stellte erleichtert fest, dass es hier beinahe trocken war und nur in der Mitte des Bodens ein kleiner Rinnsal verlief. Zumindest war er so lange erleichtert, bis Ebbitt etwas davon murmelte, dass die Wasserspinnen so genannt wurden, weil sie schwimmen, tauchen und auch auf Land gehen konnten.
„Wir werden mit Farben ausknobeln, wer vorangeht“, sagte Ebbitt, der wieder von seinem Geistschatten getragen wurde. Tal, der mit den Ellbogen bereits wackelig im Tunnel und mit den Beinen noch draußen hing, brummte.
„Ich gehe zuerst oder zuletzt oder was auch immer“, sagte er. „Wo führt dieser Tunnel überhaupt hin?“
„Na, na, verdirb mir nicht den Spaß“, meinte Ebbitt. „Diese Kapillare mündet in eine Arterie, einen größeren Tunnel. Diesen werden wir entlang gehen, dann durch noch eine Arterie und dann durch ein Ventil nach unten, und schließlich kommen wir direkt im Saal der Albträume heraus.“
„Im Saal der Albträume!“
„Natürlich.“ Ebbitt runzelte die Stirn. „Außerhalb
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