Der siebte Turm 01 - Sturz in die Dunkelheit
sagte Tal, doch das war leichter gesagt als getan. Die Kugel schien aus reinem Kristall zu bestehen. Bei hellem Licht betrachtet, sah man zwar viele kleine Löcher am Boden der Kugel, doch durch sie konnte Milla nicht heraus.
Während Tal die Kugel zentimetergenau absuchte, um einen Schalter, Hebel oder sonst einen Öffnungsmechanismus zu finden, ging Ebbitt umher und betrachtete die Sonnensteine auf den Metallständern. Damit man sie präzise positionieren konnte, befanden sich die Ständer auf Schienen, die in den Boden eingelassen waren.
Auf einem Tisch hinter den Sonnensteinen lagen ein paar Bücher. Ebbitt blätterte interessiert darin herum, während sein Geistschatten neben der Tür Wache hielt.
Schließlich musste Tal zugeben, dass er keine Möglichkeit gefunden hatte, die Kugel zu öffnen.
„Ich glaube wir müssen auf Fashnek warten“, sagte er. „Ich könnte ihn blenden, damit wir ihn fesseln und dazu bringen können, die Kugel zu öffnen.“
Milla schüttelte den Kopf.
„Er hat außer dem einen Geistschatten, der an ihm angewachsen ist, noch drei weitere bei sich“, sagte sie. „Du könntest sie nicht alle ausschalten.“
„Drei G-G-Geistschatten!“, stotterte Tal. „Das kann doch nicht sein!“
„Könnte schon sein“, erwiderte Ebbitt. „Fashnek lässt sich ja nie blicken. Naja, es will ihn auch niemand sehen.
Ich vermute, er ging weg, um irgendjemanden aufzusuchen. Oder vielleicht will irgendjemand ihn sehen.“
„Sushin“, stellte Tal fest. „Er steckt hinter dem Ganzen. Auch er hat einen neuen Geistschatten. Ich weiß bloß nicht, was er vor hat.“
„Ich hab es noch nie verstanden“, meinte Ebbitt. „Verschwörungen, Pläne, geheime Treffen. Es ist alles so undurchsichtig. Was bringt es einem überhaupt, ein Violetter zu werden?“
Tals schüttelte den Kopf und ignorierte den alten Mann. Manchmal verstand er seinen Großonkel tatsächlich nicht. Doch was auch immer Sushin im Schilde führte, es war nicht so etwas Banales wie der Aufstieg zum höchsten Orden. Das konnte er auch auf normalem Weg erreichen, ohne Leute in Gruben zu werfen und Kinder zu entfuhren.
„Übrigens“, fügte Ebbitt hinzu, „dieses Buch ist ziemlich interessant. Wusstet ihr, dass die Kugel ursprünglich entworfen wurde, um Leuten mit ihren Träumen zu helfen? Überhaupt nicht, um ihnen Albträume zu bescheren. Die Erbauer des Schlosses waren wirklich, wirklich kluge Leute.“
„Steht da drin, wie man die Kugel öffnen kann?“, fragte Tal, bevor Ebbitt weiter darüber referieren konnte, wozu man die Kugel sonst noch benutzen konnte.
„Natürlich“, sagte Ebbitt. Er hob seinen Ring und sandte eine schnelle Abfolge von farbigen Lichtern zur Kugel. Als sie auftrafen, gab es ein singendes Geräusch wie von einer Stimmgabel oder einem angeschlagenen Kristallglas. Die Kugel teilte sich wie eine Auster in der Mitte.
Milla sprang heraus und streckte sich. Dann schlug sie vor Ebbitt ihre Fäuste als Zeichen der Dankbarkeit und des Respekts zusammen. Tal erwartete, dass sie vor ihm dasselbe tun würde, doch sie tat es nicht. Stattdessen suchte sie sofort nach ihrem Merwin-Horn-Schwert und ihrer Panzerung.
„Wo gehen wir jetzt hin?“, fragte Tal voller Unbehagen. „Wir müssen uns doch irgendwo verstecken. Außerdem muss ich mir eine Verkleidung besorgen, damit ich nach dem Kodex und nach Gref suchen kann.“
„Mhm“, gab Ebbitt zurück. Er war gerade intensiv damit beschäftigt, sein Ohr von einem Grasstück zu befreien. „Ich habe über diese Sache nachgedacht und über mein Nachgedachtes nachgedacht und darüber nachgedacht, dass ich darüber nachdachte und…“
„Und?“, unterbrach Tal die Ausführungen seines Großonkels.
„Der Kodex befindet sich möglicherweise in Aenir.“
„Weshalb in Aenir?“
„Weil es im Schloss keine Macht mehr gibt, die den Kodex beherrschen könnte, falls man ihn befragen muss. In Aenir hingegen gibt es diese Macht. Der Kodex ist beinahe etwas Lebendiges, Junge. Er wurde geschaffen, um darin zu lesen. Wenn er sich im Schloss befinden würde, hätte er sicher eine Möglichkeit gefunden, damit die Leute ihn befragen können. Also muss er jetzt in Aenir sein. Und du musst ihn zurückbringen.“
„Verstehe“, sagte Tal langsam. „Ich kann einfach nicht glauben, dass alles damit angefangen hat, dass ich einen Sonnenstein brauche!“
„Hat es damit begonnen?“, fragte Ebbitt unschuldig. „Ich glaube, du wirst feststellen, dass, was immer es auch ist,
Weitere Kostenlose Bücher