Der siebte Turm 01 - Sturz in die Dunkelheit
schon vor langer Zeit begonnen hat. Sushin ist nicht der Einzige mit Geheimnissen und seltsamen Methoden. Dein Vater ist nicht der einzige vermisste Erwählte und Gref nicht das einzige vermisste Kind. Ich hätte den Dingen schon vor langer Zeit auf den Grund gehen müssen, doch ich habe meine Chance vertan. Ich glaube, es ist schon lange an der Zeit, dass irgendjemand das nachholt, was ich versäumt habe, den Kodex ins Schloss zurückholt und alles wieder in Ordnung bringt. Du scheinst genau die richtige Person für diese Aufgabe zu sein.“
Tal sah Ebbitt eindringlich an. Dieses Mal schien der alte Mann es vollkommen ernst zu meinen. Er lächelte weder verträumt noch reinigte er sein Ohr oder starrte jemanden an, den außer ihm niemand sehen konnte.
„Nun, es gibt zumindest eine Sache, die ich jetzt machen könnte“, sagte Tal. „Und zwar Milla einen Sonnenstein geben.“
Er streckte die Hand aus und griff nach dem Sonnenstein, der ihm am nächsten war. Er war auf einem silbernen Ständer in einer metallenen Klauenhand befestigt. Doch bevor Tal seine Finger um dein Stein schließen konnte, packte Ebbitt seinen Arm und drehte ihn weg.
„Keinen von diesen!“, sagte er. „Sie sind voller Albträume, voller böser Gedanken. Für einen bezaubernden jungen Eiscarl haben sie keinen Wert.“
Milla schnaubte. Tal war sich nicht sicher, ob sie es wegen der albtraumgefüllten Sonnensteine tat oder weil Ebbitt sie bezaubernd genannt hatte. Außerdem hatte sie ihre zerkratzte Panzerung gefunden und wieder angezogen. Auch ihr Merwin-Schwert war wieder aufgetaucht.
„Ich habe genug von eurem Schloss und seinen Schatten gesehen“, verkündete sie. „Tal, gib mir den Sonnenstein, damit ich auf sauberes Eis zurückkehren kann.“
Tal sah seinen Ring an. Er konnte verstehen, dass Milla ihn haben und gehen wollte, doch er brauchte ihn noch.
„Was ist mit den dreizehn Schlafzeiten?“
„Es sind nur noch zwölf,“ sagte Milla kühl. „Wenn es unbedingt sein muss, werde ich warten. Aber ich bitte dich jetzt als Freund des Clans darum, Tal. Der Clan, mit dem du dein Blut teilst.“
Tal sah den Ring noch einmal an und dann wieder Milla. Er hatte das Gefühl, ihr etwas schuldig zu sein. Es war sein Fehler, dass man sie gefangen genommen und hierher in den Saal der Albträume gebracht hatte. Außerdem war sie im Schloss allen möglichen Gefahren ausgesetzt. Vielleicht sollte er ihr den Sonnenstein geben. Vielleicht war es sogar besser, wenn er sich keine Sorgen mehr um Milla machen musste…
KAPITEL DREIUNDZWANZIG
„Ich kann ihn dir noch nicht geben“, sagte Tal schließlich. „Noch nicht.“
Er sah Milla in die Augen, konnte aber nicht ablesen, was sie jetzt tun würde. Sie würde ihm den Stein doch nicht mit Gewalt abnehmen wollen?
Sein Schattenwächter spürte seine Spannung und baute sich neben ihm auf, wobei er sich in die Form eines kleinen Borzog verwandelte. Ebbitts Geistschatten beobachtete die Szene von der Tür, hielt sich aber auf allen Vieren bereit zum Sprung.
„Was soll dieses Theater?“, fragte Ebbitt. „Tal, gib mir den Sonnenstein.“
„Das ist meine Angelegenheit, Onkel“, stieß Tal hervor. Es war das erste Mal, dass er in solch einem Ton mit einem erwachsenen Erwählten sprach. Hätte er es in der Öffentlichkeit getan, wären ihm Deluminanten von allen Umstehenden sicher gewesen.
„Gib ihn mir“, wiederholte Ebbitt. Er hielt seine magere Hand hin. Sein Geistschatten stampfte herüber, baute sich neben Tal auf und drehte seinen Kopf zu ihm.
„Auf welcher Seite stehst du eigentlich?“, fragte Tal. Er nahm wütend den Ring ab und legte ihn in Ebbitts Hand. Tränen des Zorns bildeten sich in seinen Augen, doch er konnte nichts unternehmen. Wenn Ebbitt ihm den Sonnenstein wegnehmen und Milla geben wollte, musste er ihn gewähren lassen. Dann würde er eben noch einmal auf einen Turm klettern müssen, vielleicht auf den Orangefarbenen, und es dieses Mal klüger anstellen. Er würde ein halbes Dutzend Sonnensteine stehlen!
Doch Ebbitt gab den Stein nicht Milla. Er hielt ihn an sein Auge und lenkte einen Regenbogen aus Licht aus seinem eigenen Stein darauf. Dann warf er ihn hoch in die Luft, wobei ein gebündelter weißer Strahl von dem Ring an seiner rechten Hand ausging. Ein Funkenregen ging nieder und der alte Mann fing den Stein wieder auf.
Tal blinzelte und sah, dass Ebbitt jetzt zwei Ringe in der Hand hielt. Er hatte den alten Ring präzise in zwei Hälften
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