Der siebte Turm 05 - Die Schlacht beginnt
war aufgebraucht.
Es dauerte einen Augenblick, bis Milla sich wieder orientiert hatte. Malen kletterte gerade hinter ihr aus dem Tunnel. Milla hatte sich seinerzeit besonders viel Mühe gegeben, sich alle Biegungen und Gabelungen der Heiztunnels einzuprägen, hatte aber den Untervolk-Ebenen keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Dennoch hatte sie wohl unterbewusst alles in ihrem Kopf kartografiert, so wie es jeder gute Eiscarl getan hätte.
„Hier entlang“, sagte sie entschlossen und zeigte auf den leeren, weiß gestrichenen Korridor. In der Decke gab es hin und wieder schwache, kleine Sonnensteine. Daher war der Korridor auch voller Schatten. Natürliche Schatten, dessen war Milla sich ziemlich sicher. Aber sie war auch bereit, mit der Kralle zuzuschlagen, falls es nötig werden sollte.
Odris bemerkte die Anspannung in Millas Hand und blieb hinter Malen zurück. Der Crone gefiel das gar nicht. Sie versuchte ständig, dem Geistschatten auszuweichen, wobei Odris ihr aber dauernd folgte.
„Wir müssen hier entlang, eine Treppe hinunter, durch einen Wald aus Belish-Wurzeln und dann einen steilen Tunnel hinunter zu einem See, wo der Lufttang wächst. Von dort ist es recht leicht zur Festung der Freivölkler zu gelangen“, erklärte Milla leise, nachdem sie die nächste Tunnelgabelung überprüft hatte.
Sie bogen um die Ecke, doch Milla ging nicht weiter. Stattdessen blieb sie stehen und runzelte nachdenklich die Stirn. „Obwohl es sicher auch einen einfacheren Weg gibt – wenn wir nur einen Freivölkler finden könnten. Vielleicht sollten wir hier ein wenig warten. Sie haben uns das letzte Mal auch ziemlich schnell gefunden.“
„Ich hätte nichts dagegen, wenn wir uns ein wenig ausruhen würden“, sagte Malen. Wie schon zuvor, so hatte sie sich auch bis jetzt noch kein einziges Mal beschwert. Doch die Hitze, die schlechte Luft und Millas hohes Tempo hatten sicherlich ihren Tribut gefordert. Malens goldfarbenes Haar, normalerweise vollkommen glatt, war zerzaust und verklebt und ihr Gesicht war rot. Nur die Farbe ihrer seltsamen Cronen-Augen war unverändert. Sie hatten noch immer dieses tiefe, leuchtende Blau.
„Dann ruh dich aus“, sagte Milla. Malen sank dankbar zu Boden und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand. Odris saß neben ihr und ignorierte den wütenden Blick der Crone.
Milla ruhte sich nicht aus. Sie ging leise auf und ab und behielt beide Korridore im Auge, während sie darüber nachdachte, wie viel Lufttang sie wohl brauchten. Wenn zwei Blasen pro Person nötig waren, um durch die Bereiche mit schlechter Luft zu gelangen, würde eine Streitmacht von zweitausend Eiscarls viertausend Blasen brauchen.
Das war eine Menge Lufttang angesichts der langen Strecken, die durch die Heiztunnels zurückgelegt werden mussten. Außerdem musste derjenige, der den Tang trug, vier Blasen benutzten, zwei hin und zwei zurück. Eine Person konnte vielleicht zwanzig oder dreißig Stränge tragen, jeder davon mit sechs Blasen. Das waren pro Strecke einhundertzwanzig. Minus der vier, die sie selbst brauchten, blieben einhundertsechzehn…
Milla rechnete und rechnete. Sie wünschte, sie hätte einen Zählstock, ein flaches Stück Knochen mit Löchern und Kerben, das Schiffsmeister und Clanchefs für ihre Berechnungen benutzten.
Die Eiscarls in den Kampf zu führen war nicht so leicht, wie Milla es sich vorgestellt hatte. Sie war immer davon ausgegangen, dass man den Kampf einfach von der Front aus führen musste und dass sich dann jemand anderes um Essen, Nachschub und derartige Dinge kümmern würde.
Ein entferntes Geräusch unterbrach ihre Berechnungen. Sie war sofort in Alarmbereitschaft. Auch Malen hatte es gehört und war aufgesprungen. Nur Odris saß noch da. Sie gähnte sogar.
Obwohl Milla das erste Geräusch nicht hatte identifizieren können, kannte sie doch das Geräusch, das sie jetzt hörte. Schritte. Schleichende Schritte. Sie hörte sie nur ab und zu, ein leichtes Schlurfen oder ein nicht besonders vorsichtiger Schritt. Jemand… oder mehrere… schlichen den Korridor von den Heiztunnels entlang.
Milla kniete sich nieder und schaute um die Ecke. Sie hielt sich dabei dicht am Boden.
Sie sah vier Gestalten, die an der Korridorwand entlangschlichen und dabei so viel wie möglich im Schatten blieben. Milla lächelte, als sie sie erkannte. Der Anführer war ein großer Junge mit sandfarbenem Haar, das von einem weißen Knochenkamm zurückgehalten wurde. Ihm folgte ein blondes Mädchen und
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