Der siebte Turm 05 - Die Schlacht beginnt
Sie lebten ihr Leben zu einfach. Sie waren keine Kämpfer.
Mit den freien Schatten aus Aenir hingegen verhielt es sich anders.
„Los“, sagte sie. „Wir müssen uns beeilen. Der Feind weiß jetzt, dass die Abendbrise Beutejäger auf das Schiff bringt.“
„Was?“, fragte Odris. „Was für Beutejäger? Welches Schiff?“
„Es ist nur ein Sprichwort“, gab Milla zurück. „Man könnte ja glauben, dass du Adras wärst.“
„Adras ist weg“, seufzte Odris. „Fort nach Aenir, um wieder ein Sturmhirte zu sein.“
„Fort?“, fragte Milla. „Aber Tal wollte doch den Roten Schlüsselstein holen. Er sollte nicht in Aenir sein.“
„Vielleicht ist er es ja nicht“, sagte Odris traurig. „Vielleicht… vielleicht ist er tot und Adras kam frei. Ich weiß es nicht.“
„Wann ist das passiert? Weshalb hast du mir nichts davon erzählt?“
Odris zuckte mit den Schultern. „Drei Schlafe her. Ich habe sein Lebewohl im Wind gehört. Während du auf deinem dummen Stuhl gesessen hast.“
„Du musst mir alle wichtigen Dinge mitteilen“, sagte Milla ärgerlich. „Ich wette, er hat sich wieder in Schwierigkeiten gebracht.“
„Adras?“
„Nein, Tal! Los jetzt!“
KAPITEL SIEBEN
Tal fiel nach unten. Das Lichtseil wickelte sich hinter ihm ab. Er fiel und fiel, den Kopf in den Nacken geworfen und die Arme weit ausgebreitet. Unter sich sah er den immer näher und näher und näher kommenden Aschesee und dabei fiel er noch immer, doch das Lichtseil zog nicht an.
Das Seil würde jeden Moment zu Ende sein und er würde zurückschnellen, doch der Augenblick kam nicht und der See war jetzt extrem nah – nur noch zehn oder zwanzig Spannen entfernt. Und dieses Mal war kein Adras in der Nähe, der ihn auffangen konnte!
Das Seil war zu lang. Er würde auf dem See aufschlagen!
Tal legte die Arme um den Kopf und kniff die Augen zu. Dann schien er plötzlich seinen Magen hinter sich zu lassen, als sein Sturz schlagartig gebremst wurde. Er öffnete die Augen und sah gerade noch die Oberfläche des Sees knapp außerhalb seiner Reichweite, als er schon wieder von dem dehnbaren Seil nach oben gerissen wurde.
Sein Magen fühlte sich an, als wolle er unbedingt auf der Seeoberfläche bleiben, während Tal am Seil auf und nieder baumelte. Als das Seil sich nicht mehr dehnte, hing er ungefähr vier Spannen über der Oberfläche der Asche und vielleicht sechzig Spannen vom Ufer entfernt.
Die Oberfläche des Sees war recht eben. Von weiter oben hatte sie vollkommen grau ausgesehen, von hier unten erlaubten all die durchsichtigen Kristalle einen Blick bis knapp unter die Oberfläche. Es war nichts zu sehen und das war auch gut so. Er wollte nichts sehen.
Tal schwenkte sich nach oben und bekam das Seil zu fassen. Er benutzte seinen Sonnenstein, um den indigofarbenen Knoten um seine Knöchel zu lösen. Er hing einen Moment lang an seinen Händen und ließ sich dann fallen. Über ihm löste sich das Lichtseil in Luft auf.
Tal fiel geradewegs in die seltsame Flüssigkeit, aus der der See bestand. Im letzten Moment fiel ihm noch ein, dass er die Arme ausstrecken musste, um nicht unterzugehen.
Die Mischung aus Asche und winzig kleinen Kristallen fühlte sich beinahe wie Wasser an, doch sie war warm und trocken und es war viel schwieriger, sich darin zu bewegen. Glücklicherweise war es dafür einfacher, an der Oberfläche zu treiben.
Tal begann sofort, ans Ufer zu schwimmen. Bald würde es im Krater taghell sein und er musste ein Versteck finden.
Er hatte gerade die Hälfte des Weges zum Ufer hinter sich gebracht, als ihm auffiel, dass es außer dem seltsamen Rascheln seiner Schwimmbewegungen noch ein weiteres Geräusch gab. Es war ein Geräusch, das er eher als Vibrieren der Asche spürte, als dass er es hörte. Da es von hinten kam, drehte er sich um und sah nach, während er weiter – und ziemlich unbeholfen – auf dem Rücken schwamm.
Zunächst sah er überhaupt nichts. Dann kam eine große und höchst unwillkommene Form ungefähr hundert Spannen entfernt kurz an die Oberfläche und verschwand wieder.
Tal schaute auf einen großen, langen Rücken voller blauer und roter Schuppen sowie auf ein riesiges Maul, das von vier langen, tastenden Tentakeln umgeben war.
Plötzlich begannen Tals Arme mit neuer Energie und Schnelligkeit die Asche zu durchpflügen.
Er wusste, was er gesehen hatte. Es war ein Kerfer, einer der großen Fleischfresser im See. Eine Bestie, die für Stärke oder als Joker im
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