Der siebte Turm 05 - Die Schlacht beginnt
verschwunden waren und wenn – wie es wohl kommen würde – das Untervolk frei wäre?
Tal schüttelte den Kopf. Das Beste war, er dachte wie ein Eiscarl und kümmerte sich um das vor ihm liegende Eis und nicht um das, das erst weiter hinten kam.
„Etwas Scharfes… und Heißes… schneidet mir ins Fleisch“, jammerte Adras. „Können wir jetzt hier raus?“
„Entschuldigung“, gab Tal zurück. Es war Zeit zu handeln – und nicht im Liegen nachzudenken.
Mit Adras’ Hilfe hob er den Deckel des Sarkophags einen Spalt und sah hinaus. Im Mausoleum war es ruhig und keine Lichter erhellten das sich regelmäßig ändernde Zwielicht. Tal hörte in der Ferne laute Rufe, doch sie schienen weit weg zu sein und nicht näher zu kommen.
Er schob den Deckel weg und kletterte hinaus. Adras schwebte neben ihm her.
Der Rote Schlüsselstein lag noch im Sarkophag. Tal griff hinein und nahm ihn in die Hand.
„Die Tasche funktioniert nicht, wenn ich ein Schatten bin“, sagte Adras und rieb sich den Bauch.
Tal wusste, dass Geistschatten Schwierigkeiten im Umgang mit Sonnensteinen hatten, obwohl sie mit anderen Gegenständen in der Dunkelwelt keine Probleme hatten. Er nahm an, dass dies ein weiteres Rätsel im Zusammenhang mit dem Übergang zwischen den Welten war, dem Übergang, der sie zu Geistschatten machte.
Gemeinsam legten sie den Deckel mit der Statue des Geistschattens des schon lange zu Staub zerfallenen Besitzers wieder auf den Sarkophag. Dann hielt Tal mit gerunzelter Stirn den Roten Schlüsselstein hoch.
„Ich glaube, ich sollte Lokar befreien“, sagte er und warf einen Blick auf den halben Violetten Sonnenstein an seinem Finger. „Wenn ich es kann.“
Adras nickte voller Überzeugung. „Gefängnis übel. Besser frei in der Luft.“
„Wir sollten uns erst ein Versteck suchen“, sagte Tal. Er hörte noch immer die Rufe und wollte wissen, was vor sich ging. Aber Adras hatte Recht. Jetzt, wo er vielleicht in der Lage war, Lokar zu befreien, musste er es auch so schnell wie möglich tun.
Der Nebenraum, in dem die Untervolk-Steinhauer die Vorarbeiten an den Statuen machten, die später die Sarkophage zierten, war verlassen. Tal hatte das schon angenommen. Er fand einen versteckten Platz zwischen zwei Säulen aus unbearbeitetem Stein, kauerte sich hin und konzentrierte sich auf den Roten Schlüsselstein.
Wie schon mehrfach zuvor kam sofort die schwebende Lokar in Sicht. Sie sang jetzt wieder und ihr Geistschatten hüpfte um sie.
„Lokar!“, rief Tal. „Lokar!“
Sie nahm keine Notiz von ihm.
Tal musste ihren Namen noch mehrmals rufen, bis ihm klar wurde, dass Lokar dieses Mal besonders abwesend war. Verzweifelt hob er seinen Sonnenstein, damit er auf gleicher Höhe wie der Rote Schlüsselstein war, und konzentrierte sich auf beide Steine.
Er wusste zwar nicht genau, was er da tat, richtete aber all seine Gedanken auf den violetten Stein. Sein Instinkt sagte ihm, dass er eine Flut aus violettem Licht schaffen musste, in die er den Roten Schlüsselstein tauchen und damit dessen eigenes Licht verdrängen konnte.
Violettes Licht baute sich auf und vermischte sich mit dem Licht des Roten Schlüsselsteins. Als das violette Licht stärker wurde, hörte Lokar plötzlich auf zu singen.
Sie sah nach oben, streckte ihre Hände nach Tal aus und rief: „Hoheit! Befreit mich! Befreit mich!“
Zum ersten Mal seit Tal ihn gesehen hatte, blieb auch der Geistschatten stehen. Er spiegelte Lokars Handlungen wider und streckte seine Pfoten in die Höhe.
Die beiden wurden von violettem Licht überströmt, das das rote verdrängte. Tal, der sich noch immer nicht bewusst war, was er da eigentlich machte, dirigierte das Licht hinter und unter Lokar. Das Licht umfloss sie und sie ließ sich hineinfallen.
Dann wurde Tal auf den Boden geworfen und jemand lag auf seiner Brust. Er kroch hervor und half Lokar behutsam auf. Zuerst schluchzte sie und umarmte ihn, dann drehte sie sich um und griff nach dem Stein, bevor sie ihren Geistschatten an sich drückte.
Außerhalb des Schlüsselsteins war sie kleiner und älter, als Tal es sich vorgestellt hatte. Sie war bedeutend älter als seine Mutter und nur zwei Drittel so groß wie er selbst, eine winzige, zerbrechlich anmutende Person mit kurzen, silberfarbenen Haaren und stechenden braunen Augen. Sie trug die Roben einer Brillanz der Roten, hatte aber keinen Sonnenstein. Den hatte ihr wohl Sushin abgenommen, als er sie in dem Schlüsselstein gefangen hatte.
Ihr Geistschatten
Weitere Kostenlose Bücher