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Der Sieg nach dem Krieg

Der Sieg nach dem Krieg

Titel: Der Sieg nach dem Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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weiter verantwortlich. Bei einer Visite machte er dem Hausbesitzer klar, daß eine zweite Operation nötig sei, um das Gebäude vor dem Verfall zu retten. Er schlug ihm vor, eine leerstehende Wohnung zu beziehen und gewissermaßen als Mietvorauszahlung den Aufbau eines Notdachs zu übernehmen.
    Wie er das bewerkstelligen wollte, konnte sich der Eigentümer und nicht nur er, nicht vor stellen. Woher die Balken für den neuen Dachstuhl nehmen? Auf welche Weise das zentnerschwere Holz hinaufbefördern? Wo die Bretter für die Verschalung herkriegen? Wie sie befestigen, da es keine Nägel gab? Wer sollte neue Blechplatten liefern? Die alten lagen verbogen und ausgeglüht in den Trümmern des Speichers. Trotz aller Fragezeichen erklärte er sich mit dem Versuch einverstanden.
    Freund Wolfgang zog ein und plante zeitgemäß: Wer etwas braucht, muß etwas haben, um es dagegen einzutauschen. Hat er nichts, muß er’s beschaffen, notfalls erfinden. Er entschloß sich für beides: Beschaffung durch Erfindung. Ein exemplarischer Fall; der Weg führte zunächst vom Dachstuhl weg.
    Von der Studentenkompanie her kannte Wolfgang den Willi, einen Chemiker. Mit ihm und einem weiteren Komilitonen-Kameraden schaffte er erst einmal Ordnung im dritten Stock und auf dem Speicher. Sie berechneten die erforderlichen Mengen an Baumaterial und machten sich an die Grundlage für die Erfindung. Über einen Schulkameraden, dessen Vater eine chemische Fabrik betrieben hatte, die ausgebombt war, besorgten sie sich Holzzucker, den sie reinigten, weil er vergoren werden sollte. Chemie-Willi organisierte aus dem Institut Glasbottiche und Gäraufsätze, damit aus Zucker Alkohol werde. Die hierzu erforderliche Temperatur erreichten sie gewissermaßen auf klinischem Weg: mit Mullbinden banden sie Heizkissen um die Bottiche. Glücklicherweise war der Zähler defekt; er registrierte nicht mehr. Sie hatten ausreichend Strom, denn Strom brauchten sie auch für ausgeliehene Heizplatten, die zur Destillation unerläßlich waren. Für diesen Vorgang hatte Willi aus dem chemischen Institut Kühler besorgt, ein Steigrohr mit dem unvergeßlichen Namen Dittmer-Spirale, an welcher sich die gewünschte Temperatur genau einstellen ließ.
    Die Destillation fand im Parterre des zu bedachenden Hauses statt, vorwiegend nachts, mit Musik und Gästen. Dabei wurde der aus dem Kühler tropfende Alkohol getrunken, ein Genuß mit Zeitzünder. Zuerst hob er die Stimmung, anderntags senkte er sie durch hartnäckige Kopfschmerzen. Insofern war man wieder beim Dachstuhl. Der Alkohol, der ihn ermöglichen sollte, wurde mit Obstabfällen geschmacklich veredelt.
    Nun gab es für Deutsche kein Obst, nicht einmal Abfälle. Ausländer wurden gesondert damit versorgt. Jede Woche fuhr beim Schweizer Konsulat ein Lastwagen vor, um die eidgenössische Kolonie mit frischgepflückten Vitaminen zu versorgen.
    Aus dem Operationssaal der Klinik, die dem Konsulat gegenüber lag, mußten Ärzte und Schwestern mitansehen, wie der Wagen im Hof entladen und verfaultes oder durch den Transport beschädigtes Obst, das sie liebend gern gegessen hätten, einfach auf einen Haufen geworfen wurde, der im Garten liegenblieb.
    Das sollte sich ändern, seit Wolfgang in der Klinik eine Stelle gefunden hatte. Nach Dienstschluß läutete er beim Konsulat. In wohlgesetzten Worten erbettelte der junge Arzt die Abfälle. Um den Kontrast zu lindern — es könnte sonst bekanntwerden — entsprach man seiner Bitte. Abends schleppten sie, was sie tragen konnten, in tropfenden Säcken davon, schleppten ihre süßlich duftende Beute treppab in die Waschküche des Hauses, wo sie im Waschkessel vergoren wurde.
    Das Produkt aus Holzzucker, Ein- und Abfällen roch und schmeckte immer mehr nach hochbezahlter Handelsware. Auf Schnaps blieb kein Schwarzhändler sitzen. Die Konkurrenz wandte bei der Herstellung des flüssigen Goldes zum Teil hanebüchene Methoden an. Auf Chemikerfesten, die damals sehr gefragt waren, servierten die Gastgeber entgällten Alkohol aus den Instituten, den sie in Trinkalkohol zurückverwandelt hatten. Dem Laien sagt das nichts. Doch selbst der wird hellhörig, wenn Benzol ins Spiel kommt. Da wurde, mit Benzol vergällter Alkohol zuerst um ein Drittel verdünnt und mit Paraffinschnipseln versehen, auf die Heizung gestellt. Die Paraffinschnipsel nahmen das Benzol an, der Rest konnte abdestilliert werden. Prost!
    Es kam noch bunter. Alkohol, der mit Kampfer vergoren war, wurde ausgefroren. Die

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