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Der Sieg nach dem Krieg

Der Sieg nach dem Krieg

Titel: Der Sieg nach dem Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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Hindenburg.
    Obwohl es damals noch keine Ufos und keine grünen Männchen gab, staunten die versammelten Ordnungswahrer , als kämen die Maskierten von einem anderen Stern. Ratlos, was sie mit diesen albernen Verrückten anfangen sollten, die offenbar weder Nazis waren, noch Schwarzhändler oder Saboteure, denn sie führten außer aufregend reizvollen Mädchen keinen Sprengstoff mit sich, wiederholten sie ihre Frage nach dem Codewort Fasching und wollten wissen, was diese merkwürdige Verkleidung zu bedeuten habe. Einer mimte Schrebergarten, auf dem Kopf das Dach der Laube, die Figur eingezäunt mit Gartentürchen, durch das er die Mädchen hereinbat, mit denen er tanzen wollte.
    Franz Geiger, der Anouilh-Übersetzer, fand das erlösende Wort: Theater. Er nannte auch den Namen des amerikanischen Theateroffiziers Captain van Loon. Den kannten die Militärpolizisten nicht. Unter Theater aber konnten sie sich etwas vor stellen, zum Beispiel Verkleidung. Sie stuften das verhaftete Dutzend als Künstler ein und ihre Strenge schlug um in blanke Naivität. Einer drehte das Radio auf, die Maskerer demonstrierten zur swingenden Midnight in Munich , was das sei — Fasching. Bald floß Whisky für alle. Die Verbrüderungen zwischen Militärpersonen und Paradiesvögeln schritt zügig voran.
    »That’s Fashing !« sagte eines der Mädchen.
    Weil im Dienst, hielten sich die Polizisten letztendlich an das Fraternisationsverbot: keiner versuchte mit ihnen zu tanzen. Whisky weich hatten sich die Maskerer darauf eingestellt, das Wachlokal vor Morgengrauen nicht verlassen zu dürfen. Doch ihre Gastgeber fanden, trotz fortschreitendem Besäufnis, zwischen Sympathie und Verbot einen Kompromiß: Nachdem es Deutschen untersagt war, sich nächtens zu Fuß auf der Straße zu bewegen, brachten sie sie mit Jeeps zum Faschingsfest. Nicht aus Neugier, wie sich an der Tür erwies, wo sie stehenblieben und scheu, ja ängstlich in den Dschungel der Sinnenfreude starrten. Einzutreten, die eigene Uniform als Kostüm zu sehen und mitzufeiern, lehnten sie ab. Ihr Ausdruck spiegelte Fassungslosigkeit: wie konnten hohlwangige Besiegte, die für ihre Begriffe rattenähnlich in Trümmern hausten, so fröhlich sein?

Das Dach über dem Kopf

    I n teilzerstörten Häusern sah das Leben anders aus als bei uns in der Kaulbachstraße. Dank beherzten Einsatzes in der Brandnacht standen die Mauern noch, Dachstuhl und oberste Etage aber fehlten. Diese verbreitete Mittellage zwischen ganz da und ganz weg erwies sich für zähe Bewohner als Mobilisator ungeahnter Kreativität.
    Aus unserer Clique gehörte der Wolfgang gegen Ende des Krieges einer Studentenkompanie an. Das bedeutete: zur Uniform verdammt, aber zum Studium freigegeben. Damit das Vaterland nicht leer ausgehe, wurden die Studenten zu einer der wenigen nützlichen Tätigkeiten im grauen Rock abkommandiert — zum Feuerwehreinsatz. Wolfgang kam zur Ortsgruppe Siegestor, der es oblag, das Künstlerviertel Schwabing bei möglichst kleiner Flamme zu erhalten. Es gab auch Künstler bei der Einheit, zum Beispiel den Gerätewart Ludwig Bock, einen Münchner Maler, Spätimpressionist und Professor an der Kunstakademie. Entsprechend leger war der Ton: »Du Professor, ich brauch einen Schlauch, fünfzig Meter und ein C-Rohr .«
    Ähnlich wie Konzertflügel werden die Größen der Spritzmundstücke bei der Feuerwehr nach Buchstaben unterschieden.
    Die Amateurlöscher entwickelten mit dem verfügbaren Gerät und mit akademischem Verstand eine Technik, Dachstuhlbrände in der obersten Etage abzufangen, dabei noch Möbel zu retten, die sie hinunter auf die Straße schleppten. Dort setzte sich dann der Leutnant in einen Sessel und brüllte seine Befehle. Voller Zorn richtete darauf der Wolf gang aus dem dritten Stock das C-Rohr auf den sitzenden Vorgesetzten und stellte mit Wasserdruck die Moral der Truppe wieder her.
    Auch oben sorgte er für Ordnung. Der Dachstuhl war zusammengebrochen, ein Opfer der Flammen, der dritte Stock ein Opfer des Wassers, von hier aus hatten sie gelöscht. Mit diesen Abstrichen konnte die Operation als geglückt bezeichnet werden. Darunter blieb das Haus, von Glasschäden abgesehen, bewohnbar. Manche Mieter allerdings trieb der Schock hinaus aufs Land, was sich nicht als Nachteil erweisen sollte.
    Deutschland wurde von seinem Österreicher befreit; das große Aufräumen begann. Als angehender Arzt fühlte sich Freund Wolfgang schon damals auch nach der Operation für seine Patienten

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