Der Sieg nach dem Krieg
zentnerschwere Gußungetüme mit zierlichen Füßchen angeschleppt und so aufgestellt, daß sie möglichst mehrere Tropflöcher erfaßten. Mit diesen Simultanschaltungen zog ein Hauch von Komfort in den Speicher ein; die Wannen mit den Schweineschmalzkanistern ausschöpfen zu können, erleichterte den Nachtdienst ungemein.
Jede Verbesserung wurde, wie damals üblich, mit einem Fest begrüßt, um auch die Freude miteinander zu teilen. Alle trugen etwas dazu bei und tanzten benzolselig bis in den Morgen. Was jeder gab, kam von Herzen; andere Quellen waren nicht vorhanden. Das Glück lag in der täglichen Improvisation.
»Es war eine schöne, unbeschwerte Zeit .« erinnerte sich Freund Wolf gang, als wir Jahrzehnte später eine Nachtlang in Vergangenheit schwelgten. Übrigens hat ihm der Hausbesitzer die Tat nie vergessen. Die Miete für eine komplette Wohnung blieb bis zum Auszug unter hundert Mark.
Kulinarische Gerüchte
» I n der Ismaningerstraße soll’s Kartoffeln geben !«
Kaum ein Tag verging, an dem nicht Gerüchte wie Lauffeuer durch die Stadt flackerten. Irgend jemand hatte irgendwo etwas läuten hören und gab es weiter. Offiziell war das nicht. Andererseits, was war schon offiziell, wenn es sich um einen Vorteil handelte? Die Zeitungen gaben bei einem Umfang von zwei Seiten keine Hinweise dieser Art, der Rundfunksender auch nicht.
»In Pasing soll’s Briketts geben !«
Wo bitte? Pasing war groß und der Weg dorthin weit. Wer konnte ein Interesse daran haben, andere zu verständigen, statt alles für sich und die Seinen auf die Seite zu schaffen? War die Menge zu groß? Was gab es schon in großen Mengen? Man glaubte es nicht, dennoch ging man hin, um sich keine Vorwürfe machen oder anhören zu müssen, falls etwas dran war an dem Gerücht. Man mußte es versuchen und nahm das Wichtigste mit: Rucksack, Leiterwagen oder Fahrrad.
»In Riem soll’s Salat geben !«
Jeder, der mit dem Flugzeug in München ankommt, weiß, wie weit vor der Stadt diese Ortschaft liegt. Auch die beiden Mädchen Susanne und Eva, die dem Gerücht umgehend folgten, wußten es. Man mußte schnell da sein; lang reichten die Vorräte nie.
Die beiden radelten los. Besatzer in Jeeps und größere Militärwagen überholten sie; ihre Zurufe verstanden die Mädchen glücklicherweise nicht. Hinter der Sorge, nicht abgedrängt und angehalten zu werden, immer noch die Möglichkeit zu haben, in ein Haus, eine Seitenstraße, einen schmalen Weg zu entwischen, traten alle sonstigen Wahrnehmungen zurück. Dank ihrer Geschicklichkeit erreichten sie Riem, wo Massen von Menschen eilig in eine bestimmte Richtung strebten. Ein gutes Zeichen, geographisch, wie materiell.
Bis zum Ende der Schlange fuhren sie ihnen nach. Beim Alten Wirt sperrten sie die Räder mit Ketten an einen Zaun und reihten sich ein. Tatsächlich, weit vorne sahen sie Leute mit Salatköpfen weggehen.
Eine hatte nachgerechnet. »Wir sind ungefähr die Siebzigsten .«
Sie konnten nur hoffen und hatten ausgiebig Gelegenheit dazu. In der Schlange überwog das Thema, das sie aus anderen Schlangen kannten: was man jetzt essen würde, wenn man frei wählen könnte. Insbesondere Frauen in fortgeschrittenen Jahren walzten es zu theoretischen Kochkursen aus, bis in die kleinsten Prisen feinster Kräuter, sowie flüssiger Zutaten.
Es war die große Zeit der Küchenakribie, des endlosen Schwatzens über haushälterische Fähigkeiten, ein verzweifeltes Elitedenken in halben Teelöffeln, Messerspitzen und abgezählten Tropfen, bei kleiner Flamme. Später im Wohlstand folgte ein anderer Daseinsschwerpunkt: die Krankheiten, die ebenso minutiös geschildert werden, um sich mit dem Erlittenen aufzuwerten — wie es am Stammtisch gewisse Veteranen tun.
Andere Frauen trumpften mit Glücksfällen auf, hatten angeblich Olivenöl ergattert und einen ganzen Sack Mehl. Nicht auf dem Schwarzmarkt, allein durch eigene Tüchtigkeit.
Darüber verging die Zeit. Die beiden Mädchen rückten näher und erhielten nach einer guten Stunde das, wofür sie sich aufgemacht hatten: je einen Kopf Salat. Auf dem Rückweg zu den Rädern ertappten sie sich bei Geschwätz über die Zubereitung des damit anzureichernden Menüs. Leider hatte sich der Aufwand nicht gelohnt. Zwar hing die durchgezwickte Kette noch am Zaun, doch ein Rad fehlte, ausgerechnet das mit neuwertiger Bereifung. Für die Betroffene brach eine Welt zusammen, ihr ganzes Leben würde sich verändern. Ohne Rad glich der Mensch einem
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