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Der Sieg nach dem Krieg

Der Sieg nach dem Krieg

Titel: Der Sieg nach dem Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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Militärfahrzeuge im Hintergrund, ein Bild wie aus Vorkriegs- tagen: als habe man das Anwesen für die Sommerfrische gemietet. Der erweiterte Brückenkopf hob die Stimmung. Gleichsam aus der Pförtnerloge konnte das Besitzerpaar sein Haus überwachen, grobe Übergriffe mit List, Menschenkenntnis und der Machtbefugnis von Hausmeistern vereiteln.
    Abermals kam es anders.
    Ein Telefonanruf und von einer Stunde zur andern mußten Captain Parker und seine Offiziere abrücken. Was jetzt? Ein Captain Brown rückte mit Gefolge nach, und wieder fing alles von vorne an. Aus der Pförtnerloge sah man empört, wie die Haushälterin des Nachbarn vor der Villa aufkreuzte und mit einem Offiziersburschen redete, der alsbald ins Haus ging. Sie wartete draußen. Der Senior durchschaute ihren Plan. Hintenherum rannte er zur Gastwirtschaft und kam mit der eigenen Haushälterin zurück, gerade rechtzeitig, denn in diesem Augenblick erschien der Bursche mit einem Plumeauüberzug voller Wäsche.
    Während des stimmgewaltigen Duells der beiden Haushälterinnen, das der Senior dem verdutzten Burschen übersetzte und ihn bei dieser Gelegenheit über die Gepflogenheiten aufklärte, huschte seine Frau hinein, um Captain Brown als Bewohnerin des Nebengebäudes zu begrüßen und ihn gleichfalls über die bestehende Regelung zu unterrichten, wobei sie die Bezahlung in Form von Resten nicht vergaß.
    Der Captain zeigte sich höchst befremdet. »That’s absolutely wrong !« stellte er fest und rügte seinen Vorgänger: »That was against the regulations.«
    Der schöne Brückenkopf samt Pförtnerloge im Nebenbau schien verloren. Doch die alte Dame gab sich noch nicht geschlagen. Mit fester Stimme lobte sie Captain Parker als ganzen Mann, der Regeln mißachte, um hungernden Kindern zu helfen. Jetzt habe sie doppelte Hochachtung vor ihm. Wie die Heroine auf dem Theater warf sie Captain Brown einen flammenden Blick zu und ließ ihn stehen.
    Nach banger Nacht mit dem in ihrer Lage wenig hilfreichen Gefühl, sich trotz allem richtig verhalten zu haben, ließ der Captain sie anderntags rufen. Ohne Umschweife kam er zur Sache: es werde alles so bleiben, wie unter Captain Parker. Die Wäschefrage hatte die Haushälterin längst für sich entschieden. Frisch gebügelt brachte sie die militärischen und zivilen Textilien zurück.
    Auch dieser Status quo währte nicht lange. Wieder gab es einen Wechsel und alles kam anders als erwartet. Die Nachfolger Captain Browns zerbrachen sich nicht mehr die Köpfe über Regulations. Sie übernahmen das Haus mit sämtlichen Abmachungen ihrer Vorgänger. Das Verbot für Amerikaner, mit Deutschen zu reden, war aufgehoben. Eine vergleichsweise goldene Zeit brach an. Strategisch geschickt baute die Familie den Brückenkopf weiter aus. Eine junge Verwandte schaffte es, dank äußerer Vorzüge, als eine Art Hausdame aufgenommen zu werden, eine Tätigkeit, die ihr freien Zugang und uneingeschränkte Kontrolle ermöglichte. Sie arrangierte Einladungen der Besatzer, Gardenparties, Kerzenlicht-Dinners und brachte den Speisezettel der Familie nach und nach auf friedensmäßiges Niveau.
    Einer der Offiziere hatte sich in sie verliebt. Daß sie seine Gefühle nach schicklichem Zögern erwiderte, wurde von der gesamten Familie begrüßt. Die Romanze erhielt den Hausrat nahezu komplett. Zu einer Ehe führte sie nicht. Kein einziges Stück wanderte als Mitgift über den Ozean. Auch das war ganz im Sinn der Familie.

Tote Bohnen

    M erkwürdigerweise verschärfte sich die Not mit Einführung der Sommerzeit. Die offiziellen Lebensmittelrationen wurden gekürzt, Brot von sechs auf vier Kilogramm im Monat; die Kalorienmenge sank von lächerlichen 1275 auf 1180; die Maß Bier — das Zeug hieß nur so — kostete 75 Pfennige, das Pfund Butter auf dem Schwarzmarkt 120.- Reichsmark. Ludwig Erhard war noch nicht Vater des Wirtschaftswunders, nur Wirtschaftsminister. Die Hälfte aller zugelassenen Autos mußte wegen Benzinknappheit stillgelegt werden, im Englischen Garten weideten Kühe, und man war sich seiner schmalen vier Wände nicht mehr sicher. Ohne Einsicht beschlagnahmten die Amerikaner 348 Häuser und 487 Wohnungen, später noch mehr, insgesamt 1500 Häuser. Über München, die im Werden begriffene heimliche Hauptstadt, wurde eine vierwöchige Zuzugssperre verhängt. Nazis rieselten durch die weitmaschigen Siebe der Spruchkammern, Schwarzhändler entschlüpften bei mehr als hundert Razzien. Trotzdem wurden an die viertausend Personen

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