Der Sieg nach dem Krieg
ein bißchen mitgesiegt.
»Schreiben Sie auf, wo wir Sie erreichen können! Sie hören dann von uns .«
Wir hörten.
Einige trafen sich wieder. Diesmal in Glanz und Flimmer bei einem Galaabend im Haus der Kunst. Eine Gänsehautgala. Hier, wo vordem befohlene Künstler dem deutschen Volk deutsches Kunstempfinden hatten vorexerzieren müssen, mühten sich jetzt deutsche Kleinkünstler vor amerikanischen Frohnaturen und gegen die erdrückende Konkurrenz von Bingo , dem Renner unter den Naivspielen, um Applaus. Mit von der »Party« waren auch deutsche Offiziersdamen, zum Teil in denselben Abendkleidern wie seinerzeit.
Verglichen mit der Bühne des Prinzregententheaters nahm sich der Raum nachgerade intim aus. Es gab nicht einmal ein Podium. Alle produzierten sich in Saalmitte nach vier Seiten. Floorshow nennt sich dieses Rotationsprinzip.
Ich trieb es bunt. Dreifach sogar. Mit Spiel, Skatgesang und verzweifeltem Beintanz unter dem umgehängten Klangkasten. Trotzdem hielt sich mein Erfolg in Grenzen. Vielleicht deswegen. Bedingt durch die Versorgungslage war ich möglicherweise zu sehr auf Quantität fixiert. Für meinen Beruf ein heilsamer Auftritt. Erich Engel hätte vermutlich gesagt, er habe so viel Dilettantismus noch nie so entfesselt gesehen.
In eigener Regie beschloß ich, die Mittel zu beschränken, und bald schon brachte weniger mehr. Zwar trieb ich es nach wie vor bunt, ja noch bunter, aber nicht mehr alles gleichzeitig, sondern gestaffelt, bis lang nach dem Auftritt- und schlidderte in eine weitere Erfahrung.
Durch Boten verständigt, zu einer amerikanischen Privatparty kommandiert, oblag es dem Alleinunterhalter, auf einem Stuhl in der Diele sitzend, zuerst das Abendessen mit dezenten Weisen zu untermalen, anschließend mit flotten Rhythmen zum Tanz anzuregen, sowie Wünsche nach bestimmten Stücken fehlerfrei zu erfüllen. Die Dame des Hauses, Offiziersehefrau aus Übersee, versprach eine Portion vom Abendessen bereitzustellen, sowie gelegentliche Ablösung durch Schallplatten. Man muß eben nur rechtzeitig verzweifelt schauen.
Den Gästen nach, etwa dreißig und im Durchschnittsalter satt darüber — einige Frauen ausgenommen — handelte es sich um ein Honoratiorentreffen von Alliierten mit Deutschen. Einen kannte ich aus der Wochenschau im Kino, Wirtschaftsminister Ludwig Erhard, churchillernd mit Zigarre.
Nun denn, ich schob einen ruhigen Balg. Schwamm viel im Slowbereich, walzte gelegentlich gleichsam die Kurpromenade entlang, sorgte mit Rosamunde und Old man river für Ausgewogenheit, erinnerte den einzigen Franzosen mit Premier Rendez-vous an Danielle Darrieux und ließ Lili Marleen ihr Wäsche an der Siegridlinie aufhängen. Dafür erntete ich aus dem Eßzimmer unsichtbaren Applaus und bald einen wohltätig gefüllten Teller — gutes Essen, auf den Knien, mit Grammophonbegleitung, Plattenauswahl und Wartung durch den Alleinunterhalter.
Nun gibt es auf Gesellschaften mit engagiertem Tonpersonal immer einige Herren, denen die oder der Musiker leidtun. Sie kommen, sagen etwas Nettes, bestellen ein besonderes Stück. Ich leistete den Offenbarungseid meines Repertoires. Konnte ich ahnen, daß unser Weihnachtslied Oh Tannenbaum drüben ein Marsch ist? Doch die Herren wollten hören, was sie hören wollten, summten und pfiffen mir ihre Melodien um die Ohren, und ich durfte sie, angereichert mit passenden Harmonien, reproduzieren. Machte ich’s richtig, strahlte mancher, weil seine Frau ihm immer einredete, er singe falsch. Schließlich griff die Dame des Hauses ein. Sie teilte den Herren Gesprächs- und Tanzpartnerinnen zu, — eine transozeanische Variante gesellschaftlicher Vergewaltigung. Ich wählte magenfreundlich Langsames, einen Blues. Reife Jahrgänge schoben gefügige Pretiosen durch die Diele. Paare tauchten in Zimmer ein und aus anderen wieder auf. Nicht jedem stand die Freude an der Bewegung ins Gesicht geschrieben. Unser Wirtschaftsminister Ludwig Erhard tat sich eher hart. Körpergefühl war nicht seine herausragende Eigenschaft, und ausgerechnet er bewegte eine jüngere Dunkle, die es im Übermaß besaß. Wenn er in Rückenansicht auf der Stelle wankte, winkte sie mir über seine Schulter hinweg zu. Das wiederholte sich einige Male. Ich nahm’s als Angestellter und leitete in einen Boogie Woogie über. Leben kam in die Bude, nicht alle Herrn vermochten ihre Damen weiter zu bewältigen. Mitunter war es auch umgekehrt.
Der Dunklen mit dem Körpergefühl zuckte es in den schönen
Weitere Kostenlose Bücher