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Der Sieg nach dem Krieg

Der Sieg nach dem Krieg

Titel: Der Sieg nach dem Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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aus irgendwelchen Gründen nicht klappen sollte. Einmal mußte ich passen und wir waren beide schuld. Patty hatte mir eine große Büchse Milchpulver mitgebracht, weil Milch alles enthalte, was der Körper braucht. Das leuchtete mir ein, und ich sagte mir: wenn du zwei zu eins mischst, wird’s Sahne. Nach diesem Prinzip füllte ich einen bayerischen Maßkrug mit Brei, dick, wie frischer Gips.
    Der Gesundtrunk löste ein Nesselfieber aus, so daß der Arzt gerufen werden mußte und unbedingt die vermeintliche schwarze Adresse haben wollte. Er suchte dringend Milchpulver für seine Kinder.
    Dann kam der Tag der Klarheit. Wider jede Vorsicht fuhr Patty in aller Frühe an meinen Keller vor. Vom Bett aus erkannte ich die vertrauten Beine, ging im Schlafanzug hinauf und lotste sie ungesehen die steile Treppe hinunter. Die Schreckensnachricht stand ihr im Gesicht: ihr Mann war überraschend abkommandiert worden, zurück in die USA. Stumm standen wir da, hielten uns aneinander fest und atmeten unter dem Schock beide auf.

Die Bedingung

    » D u mußt den Valentin engagieren, Erich. Er ist der einzige wirklich Komische .«
    Der Mann, der das sagte, kam während einer Probe in den dunklen Zuschauerraum geschlichen. In der fünften Reihe brannte nur das schwache Birnchen am Regiepult. Ohne ein Wort zu sagen, legte er dem Regisseur kurz die Hand auf die Schulter, setzte sich hinter ihn und verfolgte das Geschehen auf der Bühne. Ein eigenes Aroma strömte von ihm aus. Zigarre und noch etwas. Erst als Erich Engel die Szene unterbrach, begrüßte er ihn. Es war Bert Brecht.
    Die beiden kannten sich seit Jahrzehnten. 1928 hatte Erich Engel die Uraufführung der Dreigroschenoper inszeniert. Die Probe ging weiter. Eine Komikerszene, noch ohne Komik. »Komisch ist etwas erst, wenn der Vorhangzieher lacht .«
    Diesen Ausspruch Engels hatte sein Biograph bereits notiert. Wir warteten und sei es nur auf einen einzigen Frohton — vergeblich. Schließlich sagte Brecht den Satz. Und fügte sogleich einen Kommentar dazu: man müsse Valentin allerdings gestatten, sich den Text zurechtzubiegen, um seinen Sprachwitz nicht zu schmälern.
    Engel nahm die Zigarettenspitze aus dem Mund — ein Zeichen für Wichtigeres — und drehte den Kopf zu mir. »Versuchen Sie rauszukriegen wo Valentin steckt. Vielleicht kann er mal vorbeikommen...«
    Den Schwierigen zu finden, erwies sich als nicht allzu schwierig. Liesl Karlstadt war nicht in Münschen, aber einer, der bei Valentin gespielt hatte, in der Ritterspelunke, seiner letzten künstlerischen Adresse, konnte mir den Stadtteil nennen, wo ich ihn vielleicht finden würde. »Ich glaub’ er schleift Schern. Er soll da so a Wagerl ham, so eins mit nur oam Rad«, vertraute der Mann mir an. Zu unserem Ansinnen schüttelte er allerdings den Kopf. »Mei, spuiln, I glaub, es geht ihm net so gut. G’sundheitlich .«
    Ich schwang mich aufs Fahrrad und fand München mehr zerstört als erwartet. Jedenfalls in dem angegebenen Viertel, wo ich Valentin nicht antraf. Fünf Kilometer weiter, isarabwärts erwischte ich ihn. Mit dem Fahrrad auch er — eine gute Eröffnungsbasis für unser Gespräch.
    »Ja, wie nehmen wir ihn denn ?« Diese berühmte Frage von Hans Moser in seiner Rolle als Dienstmann, ging mir durch den Kopf, und ich entschied mich für — langsam.
    Valentin hatte beim Scherenschleifen sein eigenes Rasiermesser vergessen. Er war stoppelig, ungemein faltig und dürr. Wie immer eigentlich. Schon in den fetten Jahren hatte er ausgesehen, als müsse er von 1000 Kalorien im Monat leben. Ich fing bei Brecht an, der ihn verehre. Valentin nickte grüblerisch. »Der is, mein ich, von Augsburg...«
    Nachdem ich Engel als Spezi von Brecht eingeführt hatte, kam ich ohne weitere Umschweife zur Sache.
    »Ach so is des!« Valentin schob den Hut aus der Stirn. »Ja wenn das so ist...« Sein Blick, zwischen listig und giftig, streifte mein Ohr, »ja also in diesem Falle, da sagen wir halt...«
    Er mußte meine freudige Erwartung gespürt haben und stockte sofort. »Ja...«, dehnte er, »...dann sagen wir halt...« Mit geneigtem Kopf lauschte er den Worten nach. »Dann sagen wir halt: unter einer Bedingung...«
    Wieder stockte er, die Zuspitzung in Etappen freute ihn mehr als der Inhalt. »... unter einer Bedingung, hab ich g’sagt: Daß ich meinen Freund mitbringen darf .« Ein Kopfruck, er sah mich an.
    Eingedenk der von ihm hochentwickelten Eigenschaft, Mitmenschen das Leben durch Auflagen zu erschweren, nickte

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