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Der Sieg nach dem Krieg

Der Sieg nach dem Krieg

Titel: Der Sieg nach dem Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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ich auf eigene Faust. Sag nichts mehr! warnte mein Instinkt, sei zufrieden und geh’, bevor er alles wieder rückgängig macht!
    »Dann kommen’s halt mal vorbei auf der Probe. Mit ihrem Freund«, schloß ich, absichtlich vage. Ihn auf einen bestimmten Tag oder gar eine Uhrzeit festzulegen, erschien mir zu riskant.
    Auf der Rückfahrt holte mich ein solcher Schreck ein, daß ich anhielt: Er soll mal vorbeikommen — hast du gesagt — und das Wichtigste vergessen: In welchem Jahr!
    Zu spät. Wir konnten nur hoffen. Vom Pförtner angefangen waren alle im Haus, die ihm über den Weg laufen konnten, verständigt: er werde nicht allein sein, man möge ihn sorgfältig behandeln und um Himmelswillen nicht lachen.
    Wenn Valentin meine textliche Ungenauigkeit nicht wort- klauberisch ausnutzte, hing das vielleicht mit seinem Freund zusammen. Schon in der darauffolgenden Woche, gegen Ende einer Probe, steckte der Inspizient den Kopf hinter dem Bühnenportal vor: »Er ist da !«
    Engel beendete die Probe, blieb hinter dem Regiepult sitzen und schickte mich Valentin entgegen. Da stand er, mit Hut, beim Vorhangzieher, der sich an die Lachsperre hielt, stand da mit seinen geschnitzten Händen, neben sich einen Zwerg, von der allerkleinsten Sorte, aber — ja, ich hatte richtig gesehen — mit einem vergleichsweise riesigen Höcker.
    »Mein Freund«, machte uns Valentin bekannt und schaute alarmierend freundlich. Obwohl ich so tat, als sei das alles selbstverständlich für mich, scheiterte mein Versuch, ihn zu Engel zu bringen, der nicht heraufgekommen war, weil er ihn auf der Bühne sehen wollte.
    Valentin schaute weiterhin freundlich mit Kopf schütteln. »Erst kommt mein Freund. Außerdem haben wir noch was draußen .«
    Kein Widerspruch. Ich nickte, kletterte die Bühnenleiter hinunter und berichtete. Vom Zwerg sagte ich kein Wort, nur, daß Valentin offenbar etwas vorführen wolle. Wir warteten. Lang blieb die Bühne leer, wir hörten nur merkwürdige Geräusche und Zischen, als ob eine Souffleuse schreit. Plötzlich flitzte der Zwerg heraus. Schneller als es seine kurzen Beine erlaubten, geduckt, doch in Übermannshöhe, auf einem Hochrad, drehte er behende Runden um einen Karl Valentin, der jetzt in der Mitte stand, sich mitdrehend, damit er den Freund nicht aus den Augen verliere, und in Abständen verzückt hervorstieß: »Ist er nicht herrlich! Ist er nicht herrlich !«
    Es war — makaber wäre untertrieben — es war konsequent. Bilder haben den Unglücklichen zeitlebens verfolgt. Optische, akustische, situative Bilder, — wie schon in seiner Frühzeit der Tick, eine kleine Bühne völlig auszufüllen. Dazu erschien er in alter Uniform, Helm mit Helmbusch, der an der Decke anstieß, weil er hoch auf einem Brauereiroß saß, das querstand, ohne Spielraum, wie hoffnungslos eingekeilt in einer Parklücke. Mangels Leibesfülle hielt der Reiter zusätzlich eine Baßtuba im Arm, auf der er ein paar Töne blies. Aus.
    Diesmal faszinierte ihn wohl eine graphische Assoziation, aus der er nicht mehr herauskam: der hochradelnde Zwerg mit dem Höcker, gewissermaßen als Halbmond über der Erdkugel.
    »Zu spät«, sagte Engel vor sich hin, dann rief er hinauf: »Sehr schön, Valentin. Und was machen Sie ?«
    Der Zwerg radelte ab; Valentins geschnitzte Hände baumelten an den Gelenken. »Ja also... ich trete, wie Sie sehen, nur mit meinem Freund auf .« Er schaute zur Seite, strahlte, »ah da ist er ja !«
    »Sehr schön, Valentin«, wiederholte Engel, »wenn Sie uns noch das Stück dazu liefern, machen wir’s sofort .«
    Der ganz große Coup

    Höchstes Magenwohlbehagen stellte sich ein, wenn man das Glück hatte, an einem gedeckten Tisch, ohne Lebensmittelmarken friedensmäßig zu tafeln. Dieses Glück hing, wie das mitunter der Fall ist, vom Geld ab. Es gab Lokale, oder besser Hinterzimmer mit Clubcharakter, wo eingeführte Schlemmer sich solches Glück leisteten .
    Dahin kam man — wie zu allem damals — durch Beziehungen. Sie wurden nicht krampfhaft gesucht, ergaben sich vielmehr gesprächsweise. Man redete mit jemandem über dies und das und den, kannte einen, der von einem wußte, der etwas hatte oder besorgen konnte oder einen weitervermittelte. Nicht gänzlich uneigennützig, versteht sich.
    Mein brennender Wunsch, auf dem Schwarzen Markt erfolgreich zu werden, schlug sich in meiner Rede nieder und materialisierte sich auf diese Weise: Endlich lernte ich die berüchtigten richtigen Leute kennen. Auf Anhieb sympathisch

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