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Der Sieg nach dem Krieg

Der Sieg nach dem Krieg

Titel: Der Sieg nach dem Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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Beinen, überhaupt überall, immer öfter, immer deutlicher winkte sie herüber, gab Signale mit Mund und Augen. Meinte sie mich? Ich wurde »bunt«, sang mit. Einige juchzten unter dem hämmernden Rhythmus, die Dunkle sah mich nur an, mit geöffneten Lippen und Pin-up-Blick — einem weiteren Importartikel — und winkte wieder.
    Jetzt verstand ich. Sie winkte ab. Aufhören sollte ich! Unmöglich, den andern gegenüber. Die Damen gerade in Stimmung. Es gelang mir, mich mimisch zu erklären. Sie verstand. Mit verhangenem Lächeln löste sie sich aus dem Arm des Wirtschaftslenkers, um anzudeuten, wie sie mit einem andern tanzen würde. Ich legte eine Baßpassage ein. So konnte ich ihr mit der rechten Hand sagen, daß nicht ich der Tanzpartner sein könnte, leider. Dann brach ich ab. Sie klatschte mir zu, drehte sich noch einmal um und verschwand, kam jedoch gleich zurück und ging ins Badezimmer. Meine Nase sagte mir, daß sie sich die ihre wohl nicht pudern wollte, sondern ab warten bis sich die Tänzer wieder gesetzt hatten. Man sieht so etwas. Die Bewegungen werden so ostentativ beiläufig. Nein, es war Einbildung, ich saß ja nicht als Privatperson da. Gewiß, normalerweise hätten wir Gefallen aneinander gefunden.
    Mit der Luftklappe drückte ich den Gedanken weg; das Akkordeon schwieg, und sie kam. Unverzüglich klärten wir das Mißverständnis, bauten mit viel Verständnis füreinander unsere kleine Komplizenschaft aus, indem wir uns immer wieder über längst Gesagtes amüsierten. Sie war Amerikanerin, trug Ehering, hatte ein angenehmes Parfum und blieb. Ich hatte mich selbstverständlich erhoben. Als die Dame des Hauses dazu kam, gaben wir unverabredet vor, nach einer Melodie zu suchen, die ich für ihren Mann spielen sollte und lachten zu dritt, weil wir sie nicht fanden. An sich hätte ich ein gutes Gedächtnis für Melodien — erklärte ich — vor allem für Texte. Ich sei nämlich beim Theater. Die Entschuldigung wertete mich auf. Am deutlichsten bei der Dame des Hauses. Sie sagte es anderen, ich avancierte zum Paradiesvogel und wurde zusehends bunter. Im weiteren Verlauf kamen die Männer wieder und erzählten mir, welche Rollen sie in der Theatergruppe auf dem College gespielt hatten. Einer rezitierte Prospero aus dem Sturm , und ich konnte als Calaban antworten. Wir hatten es lustig miteinander, nur meine Komplizin, die sie Patty nannten, wurde immer stiller. Bei langen Blicken entdeckten wir eine neue Spielart der Fraternisation. Daß sie bei der Frau eines Colonels auf exponiertem Posten hochgefährlich war, steigerte den Reiz. Vorsichtshalber erzählte ich dem Mann von meiner amerikanischen Mutter und der großen Verwandtschaft drüben.
    Ich Paradiesvogel wurde in den Wohnraum, in einen schweren, ledernen Nazisessel gebeten, die musikalische Untermalung endgültig dem Grammophon übertragen. In der Küche haben wir uns dann geküßt.
    Eine vitaminreiche Zeit brach an. Ich war alliiert liiert. Patty kam nie ohne große Tüten aus dem PX. In einer der geheimsten Liaisons päppelte sie ihren Eroberten zum Sieger hoch. Die Komplizenschaft blieb unser Motor. Um überhaupt zusammenzukommen, bedurfte es der Umsicht des mit Obrigkeiten und Spitzeln erfahrenen Obergefreiten. Man mußte Hund und Katz zugleich sein. Pattys grünes Dodge Coupé durfte nicht in Straßen gesehen werden, die von Deutschen bewohnt wurden und zu keiner amerikanischen Dienststelle führten, andererseits mußte ich die Nähe von Besatzerreservationen mit meinem Fahrrad meiden. Ich konnte sie nicht anrufen, ihr Haus nicht betreten, sie wagte nicht, mich anzurufen, aus Angst vor Lauschern und Fremden, weil sie nicht deutsch sprach. In der Stadt durften wir nicht zusammen gesehen werden, wegen der Leute, im Englischen Garten nicht, wegen möglicher Kontrollen. Aus diesem Grund mieden wir die geläufige Zuflucht unbehau- ster Liebender, das Parking on the highway in ihrem Auto. Schwierigkeiten bereiteten uns auch Uhrzeiten und Ausreden. Wo hatte sich Patty angeblich aufgehalten, während wir uns trafen? Da nicht einmal eine Freundin etwas wissen durfte, gab es niemanden, der für sie log. Sanken wir einander in die Arme, hatten wir vorher ausführlich gezittert. Das kann mehr verbinden als Entsprechung im Wesen. Ein paarmal war sie während oder nach irgendwelchen Einladungen in meinem Keller. Für sie hatte das Durcheinander Westernromantik.
    Wir mußten uns immer dreifach verabreden, um einander nicht zu verlieren, falls ein Treffen

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