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Der Sieg nach dem Krieg

Der Sieg nach dem Krieg

Titel: Der Sieg nach dem Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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Berlin etwas auszurichten. Etwas sehr Wichtiges. Sie haben’s ihr versprochen, aber nicht gehalten .« »Seien Sie vorsichtig !« warnte der erste. »Ich sollte nach einem bestimmten Herrn verlangen. Der war bei der genannten Adresse nicht bekannt .«
    »Reine Vorsichtsmaßnahme. Sie hätten sich nicht gleich abweisen lassen dürfen .«
    »Das hätte Ihre Schwester mir sagen müssen oder mir eine Parole mitgeben .«
    »Wie denn ?« begehrte der andere auf, »sowas muß vorher abgesprochen sein.«
    Umsitzende murrten. Sie wollten in Ruhe essen. Rehrückn mit Preißelbeeren immerhin. Bei der Crème caramelle ging es wieder um das Kilo, ruhig und sachlich. Die Herrn drückten sich sehr vage aus. Einer schaute ständig auf seinen goldenen Chronometer. Ich saß an der Quelle und wußte doch von nichts. Nach dem Mocca löste sich die Tafelrunde auf. Der Mann mit dem unruhigen Blick auf die Uhr nahm mich beiseite: Ob ich Zeit hätte für einen kleinen Besuch?
    War das die ersehnte Chance?
    Ich ließ mein Fahrrad stehen und fuhr im Wagen mit. Ins westliche Schwabing. Meine Aufgabe sei nicht schwierig, eröffne te mir der Fahrer, lediglich eine Gefälligkeit. Sie bestehe darin, im Wagen sitzen zu bleiben, während er einen Besuch abstattete. Falls er nach 15 Minuten nicht zurück sei, solle ich ihm folgen, im Parterre links läuten und nach Herrn Lang verlangen. Ich sei mit ihm verabredet. »Wenn’s weiter nichts ist... ?« Ich lächelte.
    In einer Wohnstraße mit Häusern im Einschüchterungsstil der Jahrhundertwende, wo Lenin gewohnt hatte, hielt er, entnahm seiner Aktentasche eine Kilodose, öffnete den Deckel, tippte mit angefeuchtetem Finger in weißes Pulver, führte ihn an die Lippen und nickte: »Einwandfrei.«
    Er verschloß die Dose wieder, stopfte sie in seine Manteltasche und stieg aus. Ich beobachtete, in welches Haus er ging, prüfte auf meiner billigen Uhr die Zeit und sackte in entspannte Wartehaltung. Daß mein Puls dennoch beschleunigte, lag an meiner Phantasie. Ich nahm’s ihr sehr übel. Wie soll man mit einem Kopf Geschäfte machen, der dauernd von der Realität weghüpft, Situationen wie Motive behandelt, um darüber zu improvisieren? In 13 Minuten hatte ich einen bestimmten Text zu sprechen, falls der Mann bis dahin nicht zurück sein sollte. Eine Ungewißheit
    welch verlockendes Spielmaterial für meine Phantasie! Energisch pfiff ich mich zurück. Die Folge davon waren Muskelanspannungen in unbeteiligten Partien des Körpers. Genau zur richtigen Zeit zwang mich ein Krampf im linken Oberschenkel, auszusteigen, um das Knie durchzudrücken. Herr Lang war überfällig. Etwas mußte passiert sein. Erst jetzt wurde mir klar, auf was ich mich da eingelassen hatte. Hinkend, wie noch im Jahr zuvor, begab ich mich in das Haus.
    Parterre links.
    Mein Finger schwebte dem Klingelknopf entgegen, meine Ohren vernahmen erregte Stimmen hinter der Tür. Ich stoppte sie mit einem kurzen Druck. Ein Mensch öffnete, ein untersetzter, unrasierter, unfreundlicher Zeitgenosse mit sehr fremdem Akzent. Kaum hatte ich meinen Text wie ein Schauspielschüler aufgesagt, schoß er zurück: »Hier keine Herr Lang! Nicht bekannte. Sie gehen .«
    Das Tischgespräch kam mir in den Sinn: Nicht gleich abweisen lassen! Während ich Luft holte, fiel die Tür ins Schloß, drinnen ging der Streit weiter. Noch einmal zu klingeln erschien mir zwecklos und ungehörig. Der Wunsch war erfüllt, die Aufregung drinnen mußte mit dem Preis für die Ware Zusammenhängen. Durfte ich da stören?
    Mit Zuspruch an die eigene Adresse, es sei eben genau der falsche Moment gewesen, vielleicht habe Lang selbst gebeten, mich wegzuschicken, überquerte ich die Straße und wollte schon nach der Wagentür greifen, da ließ ein dialektgefärbtes »Hallo Sie !« mich stocken.
    »Sie wollten grad zum Herrn Lang ?« vergewisserte sich mein Verfolger in deutscher Polizeiuniform.
    »Ja, warum ?« fragte ich dagegen.
    Nun wurde er massiv. Wer sind Sie? Woher wissen Sie, daß Herr Lang hier ist? Woher kennen Sie ihn überhaupt? Merkwürdigerweise fiel alle Spannung von mir ab, Ruhe zog ein. Der langjährige Umgang mit uniformierter Inferiorität lenkte meine Worte: »Ich kenn ihn gar nicht .«
    »So? Was wollten Sie dann von ihm ?«
    Diesen Kurzschluß in der Beamtenleitung galt es zu unterlaufen. »Ich soll ihm was bestellen, von seiner Schwester .« Schon klotzte er wieder. Hat der eine Schwester? Wie heißt die Schwester? Woher kennen Sie die Schwester? Wann haben

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