Der Sieg nach dem Krieg
Auge auf sie geworfen haben. Es ist nämlich so: Wir gehören zu einem Kreis junger, katholischer Männer, die nach dem richtigen Weg suchen. Speziell für unsere Generation. Wir halten Diskussionsabende ab, da kommen der Abt Hugo Lang und der Monsignore Kunstmann. Immer dienstags und freitags bei uns in der Wohnung, und wir dachten, vielleicht wollen sie auch mal kommen. Wie wär’s mit übermorgen ?«
Die schwarze Verpackung, die renommierten Geistlichen und der Pfad der Tugend, den allein zu suchen so mühsam war, machte es den Mädchen leicht, vor Gott und sämtlichen Erziehungsberechtigten >ja< zu sagen. Der gute Eindruck , den sie gewonnen hatten, bestätigte sich: die Pfadsucher unterließen es zu wagen, Arm und Geleit ihnen anzutragen. Sie nannten Name und Adresse und verabschiedeten sich.
Wie ernst es ihnen mit dem richtigen Weg war, bestätigten die Vorbereitungen, die am Dienstagnachmittag in der Wohnung getroffen wurden. Umsichtig, mit verbliebenem Silber, sechs gleichen Tellern und Gläsern, deckten sie den Tisch für ein kaltes Abendbrot, ohne Schwarzmarkt-Extravaganzen und bestellten beim Fernsprechauftragsdienst zwei Weckrufe. Einen für halb neun und einen auf zehn vor neun. Der Apparat stand im Zimmer, wo die gemeinsame Suche stattfinden sollte. Auch passende Kleidung vergaßen sie nicht.
Kurz nach acht läuteten die Mädchen. Höflich und förmlich wurden sie hereingebeten. Ein Blick auf die Uhr, ein Lob für ihre Pünktlichkeit, Wein und Knabberzeug standen bereit, Abt und Monsignore würden gleich kommen. Christliche Konversation überbrückte zähe Minuten, bis das Telefon läutete.
»Ja, Euer Ehren !« dem freudigen Ton folgte bei zugehaltener Sprechmuschel die Information: »Der Abt!« Dann schlug die Stimme um. »Ach! Das tut uns aber leid, Euer Ehren. Wir sind schon fast alle da und warten auf sie. — Ja, verstehe. Da kann man nichts machen. Höhere Fügung. Aber dann bestimmt am Freitag wieder. — Grüß Gott, Euer Ehren.«
Allgemein, doch mit gebührendem Verständnis, wurde die Absage bedauert. Gottesmänner haben viele Verpflichtungen. Über Einzelheiten, den Sterbefall betreffend, der ihn verhindert habe, vergingen die zwanzig Minuten, bis das Telefon abermals läutete.
»Das wird doch nicht der Monsignore sein ?« unkte der eine, mit langem Gesicht, während der andere abnahm. »Grüß Gott, Monsignore! Wo bleiben Sie denn? Wir warten schon mit dem Essen. — Was? — Nein! Das können sie uns nicht antun, Monsignore. Gerade hat Abt Hugo angerufen, — ein Sterbefall — und jetzt... Kommen sie halt etwas später. Versuchen sie’s. Bitte! Wir haben, wie ich ihnen schon sagte, zwei neue Interessenten gewonnen .« Dann nach ausführlicher Lauschpause kleinmütig. »Ja. Ja. Da kann man nichts machen. Ach, es ist ein Jammer .«
Die Sucher zeigten ihre Enttäuschung, zugleich aber auch Haltung. Sie räumten die nicht benötigten Gedecke ab, baten zu Tisch und stellten mit unverfänglichem Geplauder die lädierte Stimmung wieder her. Dann erst kamen sie, aufmerksam nachschenkend, auf das eigentliche Thema des Abends.
Tja, der rechte Weg. In dieser schweren Zeit, die einen nachgerade auf fordere zu straucheln. Aber man diskutiere nicht umsonst. Man sei, mal als Mensch gesprochen, gar nicht so schlecht. Jedenfalls gebe man sich Mühe, und so lange einer das tue, sei er nicht von vornherein zu verurteilen. Oder?
Immer wieder versicherten sie sich durch Rückfragen ihrer Übereinstimmung und fanden manchen Grund für einen Schluck.
Man sei, wie gesagt, gar nicht so schlecht, komme sich jedenfalls nicht so vor. Oder bestehe hier ein gegenteiliger Eindruck? Dann allerdings müsse man das sofort zu Ende diskutieren. Um den richtigen Weg zu finden — das habe man an vielen Abenden herausgefunden — gebe es nur ein Mittel: schonungslose Offenheit.
Da konnten die Mädchen nicht umhin zuzustimmen; die Sucher wechselten einen Blick.
Also, wie gesagt, ganz schlecht komme man sich eigentlich nicht vor. Man begehe keine Todsünden. Das einzige, ja doch, das einzige, was einen immer wieder straucheln lasse — man geniere sich fast, es beim Namen zu nennen, aber es müsse sein, um der Wahrheit willen — das wirklich allereinzige, wo man immer wieder schwach werde, so sehr man sich auch vornehme, dagegen anzukämpfen, sei — die Geilheit.
Der dramaturgische Aufbau mit langem Anlauf bis zum Absturz in eine andere Stilschicht, löste, wie erwartet, Reminiszenzen an die Erziehung aus. Die
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