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Der Siegelring - Roman

Titel: Der Siegelring - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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viele Pferde in Corvus’ Ställen stehen?«
    »Wir werden es herausfinden, wenn wir zurückreiten. Aber wirklich vorstellen kann ich es mir nicht, Falco!«
    »Nein, ich glaube auch nicht ernsthaft, dass Martius mit Ulpia Rosina durchgebrannt ist, aber es ist eine Möglichkeit, die wir nicht ausschließen dürfen. Sie wäre mir lieber als die andere. Die ist nämlich viel schlimmer. Darum reiten wir jetzt zum Dorf und fragen mal herum, ob
ihn jemand gesehen hat. Oder besser, du fragst, ich halte mich im Hintergrund.«
    Annik war es beklommen zumute, als sie die ersten Hütten der kleinen Ansiedlung vor sich sahen. Sie ritt voraus auf den Marktplatz. Viele Menschen hielten sich nicht im Freien auf, aber vor der Taverne stand eine kleine Gruppe um zwei Holzschläger versammelt, die ihre Ladung abgeliefert hatten. Sie verstummten, als Annik heranritt. Sie hatte inzwischen einigermaßen die heimische Sprache zu verstehen gelernt und konnte sich auch verständlich machen. Sie stieg ab und fragte nach Martius, der, wie sie wusste, in dieser Taverne durchaus bekannt war.
    »Nein. Er war nicht hier«, war die kurze Antwort.
    »Er ist vor drei Tagen durch den Wald in die Colonia geritten. Hat ihn einer von euch zufällig getroffen?«
    »Nein.« Wieder war die Antwort einsilbig, und Annik vermeinte ein deutliches Unbehagen in der Gruppe zu verspüren.
    »Könnt ihr mir sagen, wo ich Cullen, den Barden, finde?«
    Schulterzucken war die einzige Reaktion. Annik gab es auf. Wenn diese Leute nicht reden wollten, stieß sie hier auch weiterhin auf eine massive Mauer. Höflich grüßte sie die Männer und schwang sich wieder auf das Pferd. Falco hatte sich außer Sichtweite gehalten, und als sie ihn wiedertraf, sagte sie: »Sie wissen etwas, aber sie schweigen sich darüber aus. Ich habe ein entsetzlich schlechtes Gefühl.«
    »Das teile ich, Annik.«
    »Sie wollen mir auch nicht sagen, wo Cullen ist. Aber ich denke, wir werden ihn in seinem Haus im Wald antreffen.«
    »Weißt du, wo es ist?«

    »Ich werde es finden.« Sie ritten los, und als sie den Waldrand erreicht hatten, bemerkte Annik: »Übrigens - Martius hat etwas über ihn herausgefunden. Als Erwan starb, nannte er den Barden ›Kados Sohn‹. Dieser Kado stand auf der Liste der Rebellen aus dem Saturninus-Aufstand.«
    »Was nur bestätigt, was ich vermutet habe.«
    »Du siehst ihn als den Anführer der Unruhestifter?«
    »Zumindest arbeitet er mit ihnen zusammen.«
    Der Pfad, der durch den Wald führte, wurde so eng, dass sie hintereinander reiten mussten. Annik übernahm die Führung, und nach einer Weile kamen sie zu dem kleinen Holzhaus, das dem Barden als Heim diente. Doch kein Rauch stieg aus dem Kamin, die Läden waren geschlossen, die Tür verriegelt.
    »Ausgeflogen«, meinte Falco.
    »Er ist oft unterwegs. Reiten wir zurück. Wir können den Weg nehmen, der zur Straße nach Colonia führt. Normalerweise hätte Martius den genommen.«
    »Tun wir das. Vielleicht gibt es einen Hinweis.«
    Sie ritten schweigend, umgingen das Dorf, hielten sich am Waldrand, und in der Höhe des Matronensteins hielt Annik und wies auf die Abkürzung hin.
    »Valerius nimmt diesen Pfad ebenfalls. Hier hat ihn damals der Pfeil getroffen.«
    »Ich kenne den Weg, lass mich jetzt voranreiten.«
    Der mit Laub bedeckte Boden war feucht, doch nicht gefroren, die alten, hohen Buchen und Eichen noch blattlos kahl, das Unterholz ein wirres Durcheinander von dornigen Ranken und wucherndem Geäst. Alles schien braun, schwarz, modrig grün. Ein kühler Wind fuhr in unregelmäßigen Böen durch die Stämme, die Wolken hingen tief und grau über den Wipfeln. Annik fror und die Hände, die die Zügel hielten, wurde ihr klamm. Aber
sie blieb dicht hinter Falco und achtete auf alles, was sich rechts und links vom Weg befand. Darum sah sie gleichzeitig mit ihm den roten Fetzen.
    »Halt!«, sagte Falco.
    »Ja, dort. Ich sehe es auch.« Sie stiegen ab und hängten die Zügel der Pferde an den Stamm einer jungen Birke. Zu Fuß gingen sie langsam weiter. Und dann fanden sie es.
    Viel hatten die Jäger und Aasfresser des Waldes nicht von ihm übrig gelassen. Doch die metallbeschlagenen Lederstreifen des Brustpanzers, die Reste der roten Tunika, die genagelten Stiefel, die lederne Braeces waren im Umkreis um den zerrissenen Körper verstreut.
    Annik biss sich auf die eisigen Finger, aber es nützte nichts. Übelkeit wallte in ihr hoch, und sie wendete sich ab, um sich zu erbrechen. Auch Falco war blass geworden.

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