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Der Siegelring - Roman

Titel: Der Siegelring - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Aber er sah sich trotz des grausigen Anblicks etwas genauer im Umkreis des Tatortes um. Er fand zwei Dinge, die er aufhob. Und dann ging er zu Annik. Er half ihr, als sie sich mit zitternden Knien wieder aufrichtete und legte seinen Arm um ihre Schultern.
    »Wölfe?«, flüsterte sie.
    »Zuletzt sicher. Oder andere Räuber. Aber umgebracht hat ihn dies hier.«
    In seiner Hand glitzerte das Stilett. Das Messer, das sie an jenem Nachmittag Ursa gegeben hatte, damit sie es Ulpia Rosina wiedergab.
    »Kennst du es?«
    Annik hatte das Gefühl, einer Ohnmacht nahe zu sein. Stumm schüttelte sie den Kopf. Dann zeigte ihr Falco den anderen Gegenstand. Einen bronzenen Torques, wie ihn die Gallier trugen.
    »Und den hier?«
    Diesmal nickte Annik und räusperte sich dann.

    »Ja. Es ist Martius’ Halsreif. O Falco …« »Ja, es ist schrecklich. Er war zwar ein sehr eigensinniger Mann, aber er war ein guter Legionär und ein guter Freund. Dir noch mehr als mir.«
    »Ich muss fort von hier.«
    »Ja, wir können hier nichts mehr tun. Ich werde ein paar Leute herschicken, die … ihn ins Lager überführen.«
    »Die Holzschläger im Dorf - sie müssen es gewusst haben.«
    »Oder getan haben.«
    »Wahrscheinlich haben sie ihn gefunden.«
    »Auch möglich. Auf jeden Fall werde ich den Barden suchen lassen.«
    »Du glaubst, er war es?«
    »Es liegt doch nahe, oder?«
    »Aber warum? Sie waren befreundet. Sie haben sich an jenem Nachmittag noch ganz friedlich miteinander unterhalten.«
    »Das kann täuschen. Einen Mann mit einer solchen Waffe zu ermorden verlangt großes Geschick. Es kann eigentlich nur gelingen, wenn der andere einem vertraut.«
    Wie wahr, dachte Annik und sah Rosina vor sich, wie sie Martius umarmte - zum Abschied - und ihm dabei den Dolch zwischen die Rippen stieß. Sie selbst hatte ihr gezeigt, wie man mit dem Stilett einen Menschen umbringt. Zutiefst erschüttert stieg sie in den Sattel und machte sich mit Falco auf den Rückweg.
    Vor dem Gut trennten sie sich, Falco wollte ins Lager zurück.
    »Ich werde Corvus eine Nachricht überbringen lassen. Ich fürchte, wenn der Senator Fabius Pontanus erfährt, dass sein Zureiter, der seine Pferde betreuen soll, umgebracht worden ist, wird ihn nichts mehr davon abhalten
können, seine nach wie vor schwelende Rache auszuüben.«
    »Falco, nein!«
    »Umso wichtiger, dass ich diesen verdammten Barden finde.«
    Annik schwieg. Sie brachte das Pferd in den Stall und ging in ihr Häuschen.
    Gratia musste sie gesehen haben, denn kaum hatte sie den Umhang abgelegt und mit klammen Fingern die Glut im Herd neu angefacht, stand sie erneut an der Tür.
    »Es war gemein von euch, nicht auf mich zu warten. Aber jetzt wirst du mir antworten, Annik!«
    Annik reagierte nicht auf den Vorwurf, sie setzte sich nur auf die Bank an ihrem Tisch und starrte auf das Herdfeuer.
    »Annik! Annik? Ist etwas passiert? Du siehst grauenvoll aus!« Gratia griff zur Weinamphore und goss einen Becher voll. »Trink erst mal davon.«
    Gehorsam nahm Annik einen Schluck des dunklen, roten Weines, den Valerius bei ihr deponiert hatte. Er half ihr ein wenig, die Fassung wiederzuerlangen.
    »Es ist etwas Furchtbares passiert, nicht wahr?«
    »Ja, Gratia.« Es hatte keinen Sinn, es ihr zu verschweigen, sie würde es binnen kürzester Zeit von anderen erfahren. »Martius - er wurde ermordet. Im Wald draußen. Wir haben ihn gefunden.«
    Wieder würgte es sie, und sie versuchte, ihren aufgebrachten Magen mit einem weiteren Schluck Rotwein zu besänftigen.
    »O Jupiter!«, flüsterte Gratia. »Wie entsetzlich.« Sie setzte sich zu Annik und schlang ihre Arme um sie. »Arme Annik. Arme Rosina.«
    Als Gratia den Namen ihrer Stiefmutter erwähnte, zuckte Annik zusammen. Vorsichtig machte sie sich aus
der Umarmung des Mädchens frei und bat: »Lass mich alleine, Gratia. Bitte. Ich kann jetzt nicht sprechen.«
    »Ja, schon gut. Ich gehe schon. Und ich werde den Mund halten. Keine Sorge.«
    Sie verließ das Haus, und Annik warf sich auf das Bett. Trotz der Decken und des wärmenden Feuers im Herd fror sie.
    Die Dämmerung wurde zum Abend, der Abend zur Nacht. Schlaf fand sie nicht. Quälend war das Wissen, das sie bei sich trug. Es musste Ulpia Rosina gewesen sein, die Martius umgebracht hatte. Sie selbst hatte sie ja an dem Abend vom Wald zur nördlichen Pforte laufen sehen. Mag schon sein, dass sie bei der Hebamme war, wie sie gesagt hatte, aber sie musste dabei Martius begegnet sein. Dort oben, im Wald. Sie hatte das

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