Der Siegelring - Roman
mit mir reden, mehr habe ich nicht zu dem Thema zu sagen.«
»Vielleicht solltest du bedenken, wenn du mit ihm sprichst, dass auch er zweimal von den Aufständischen auf den Tod verwundet wurde.«
»Ja, Ursa hat mir von Vetera erzählt. Und von der Vergeltung der Römer.«
»Ursa, die Germanin. Hat sie dir auch erzählt, wie Vetera vernichtet wurde? Hat sie dir gesagt, dass es Friedensverhandlungen gab? Dass die belagerten Legionäre freiwillig ihre Waffen abgegeben hatten? Und dass sie dennoch anschließend heimtückisch niedergemacht wurden? Dass die Bataver das Lager niederbrannten, mit allen, die sich darin aufhielten? Corvus war beinahe der Einzige, der lebend entkam. Kaum mehr lebend.«
»Sie hat ihn gesund gepflegt.«
»Sie - oder besser ihre Familie - hat Lösegeld für ihn verlangt.«
Annik senkte den Kopf.
»Es gibt wohl immer zwei Seiten, wie man eine Geschichte erzählen kann. Wann wurde er das zweite Mal verwundet? Auch von Einheimischen?«
»Bei dem Saturninus-Aufstand vor acht Jahren. Er war Quaestor bei der Legio Minerva und hat die Versorgung organisiert. Es war ein Hinterhalt, bei dem er und seine Begleiter überfallen wurden. Nur er und ein junger Bursche überlebten. Knapp. Er trug eine tiefe Wunde an seinem Bein davon. Er war kaum genesen, da starb im selben Jahr seine erste Frau, Aemilia Sophia, bei der Geburt ihres zweiten Kindes. Er verließ danach die Legion und zog sich hier auf das Gut zurück. So viel solltest du zumindest wissen.«
»Du willst damit andeuten, dass ich auf seine Verbitterung Rücksicht nehmen und mir deshalb seine Anschuldigungen gefallen lassen soll?«
»Er ist dein Herr hier. Du wirst ihm gehorchen.« Falco sah sie streng an, doch dann milderte ein weicherer Ausdruck seine Züge. Versöhnlicher sagte er: »Sein Leben war nicht einfach, Annik.«
»Meines auch nicht!«
»Nein, das habe ich schon vermutet. Dennoch - fordere nicht ständig seinen Unmut heraus.«
»Schon gut, Falco. Ich werde mich bemühen.«
»Tu das. Hat Martius dir erzählt, dass er jetzt wieder als Meldereiter eingesetzt ist? Er hat ausgezeichnete Arbeit bei den neuen Pferden geleistet. Aber ich habe den Eindruck, dass ihm Kurierwesen mehr Freude macht.«
»Ich habe es erfahren, und vermutlich liegt es daran, dass er als Kurier mehr Freiheiten hat.« Annik grinste Falco plötzlich an. »Wir sind eben ein freiheitsliebendes Völkchen, weißt du!«
»O ja, das merke ich jeden Tag bei meinen Auxiliaren!«
18. Kapitel
Der Auftrag
Zunächst war es Ulpia Rosina, die Annik am folgenden Tag aufsuchte.
»Ich habe dich in Verlegenheit gebracht, Annik. Das tut mir Leid.«
»Es ist nicht weiter schlimm. Ich werde Eurem Gatten alle Fragen beantworten, die er mir stellt. Ich habe mir nichts vorzuwerfen, Domina.«
»Ich weiß. Er kann nur so entsetzlich hart sein.« Sie seufzte und setzte sich auf einen Schemel neben dem Trockenbord. »Aber du lässt dir nichts von ihm gefallen, verstehst du. Wenn er dir Strafe androht, gib mir Bescheid.«
»Er wird keinen Anlass haben, mir zu drohen, Domina. Warum warnt Ihr mich? Droht er Euch denn?«
»Nein, nie. Nur - er... er schweigt. Und sein Schweigen sagt ungeheuer viel. Er verachtet mich, weil ich ihm nicht die Frau sein kann, die er sich wünscht.«
»Dann seid ihm doch die Frau, die er sich wünscht!«, schlug Annik mit einem leisen Lächeln vor.
Ulpia Rosina wurde steif und verkrampfte Hände die.
»Das kann ich nicht. Ich bin halt nicht Aemilia Sophia.«
»Seine erste Frau, Gratias Mutter. Ich weiß.«
»Es heißt, sie war ziemlich hässlich. Er mochte sie trotzdem, hat man mir gesagt. Sie war wohl sehr klug.«
»Grämt Euch nicht unnötig. Ihr führt hier, soweit ich es sehen kann, kein schlechtes Leben. Aber vielleicht
solltet Ihr Valerius Corvus häufiger in die Colonia begleiten. Dort werdet Ihr Abwechslung und Freunde finden.«
»Es gibt Gründe für mich, mich nicht zu oft in der Colonia sehen zu lassen. Und im Grunde hast du Recht. So schlecht ist es hier nicht.«
Ein Hauch von Erröten erinnerte Annik daran, dass es ja auch noch einen heimlichen Liebsten gab, der Ulpia Rosina das Leben auf dem Lande versüßte.
Die Hausherrin war aufgestanden, hatte sich noch ein paar der langsam trocknenden Tonwaren angesehen, hatte über Nebensächlichkeiten geplaudert und war dann gegangen. Annik setzte sich wieder an die Töpferscheiben, und während sich unter ihren Fingern der Ton zu einer anmutigen Vase formte, dachte sie über die
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