Der Siegelring - Roman
Rates nicht. Ich bin Töpferin, Dominus.«
»Und Köchin. Ich muss gestehen, es riecht nicht halb so schlecht, wie ich es befürchtet habe.«
»Dann gebt mir den Brotfladen, ich will ihn für Euch füllen.«
Sie aßen in schweigender Eintracht, und als sie das Mahl beendet hatten, nahm Valerius Corvus einen tiefen Schluck aus seinem Becher.
»Wenn du seinen Rat nicht brauchst, Annik, warum triffst du dich dann mit dem Barden? Ist er dein Liebhaber?«, knüpfte er an das vorherige Gespräch an.
»Ich könnte sagen, dass Euch das nichts angeht. Aber - nein - er ist nicht mein Liebhaber. Ich habe Euch gestern die Wahrheit gesagt. Mich interessieren unsere gemeinsamen Wurzeln.« Sie richtete sich ein wenig auf und atmete tief durch. »Dominus, ich habe das Land verlassen, in dem ich aufgewachsen bin. Das Meer, die Dünen, den wilden Wind, die einsamen Steine der Uralten. Ich bin - ein wenig einsam gewesen.«
»Jetzt bist du es nicht mehr?«
»Ich habe mich zurechtgefunden.«
Annik trank ebenfalls von dem Wein und fand ihn ungewöhnlich schwer. Ihr Gast aber schien ihn gewöhnt zu sein und schenkte sich den nächsten Becher voll.
»Würdest du mir den Gehorsam verweigern, wenn ich dir verbieten würde, ihn wieder zu treffen?«
»Nein, Dominus. Ich habe selbst schon erwogen, ihm
zu untersagen, mich hier aufzusuchen. Ich werde es aber nicht vermeiden können, ihm im Dorf zu begegnen.«
»Oder im Wald?«
»Oder im Wald. Denn ich werde mir nicht verbieten lassen, dort umherzuwandern.«
»Du bist aufsässig!«
»Ja, Dominus. In diesem Fall bin ich es. Ich sammele dort Pilze und Beeren und auch Kräuter. Ich habe dort einen heiligen Platz gefunden, an dem ich zu meinen Göttern sprechen kann. Wollt Ihr mir das wirklich untersagen?«
»Es scheint, dass ich kaum dazu in der Lage bin. Aber dennoch. Ein Vorwurf steht im Raum, Töpferin Annik, und wir müssen darüber sprechen. Mag sein, dass ich vorgestern zu hastig geurteilt habe. Ich will deine Meinung hören. Also - was kannst du gegen den Vorwurf vorbringen, dass du Informationen an die Gallier weitergibst?«
»Nichts, Dominus. Ich kann ihn nicht entkräften, sondern nur bestätigen.«
»Zünde noch eine Lampe an. Ich will dein Gesicht sehen, wenn du derartige Antworten gibst!«
Annik entzündete eine weitere Öllampe und stellte sie auf den Tisch zwischen sie.
»Und nun sprich!«
»Ich bin eine Keltin, eine Gallierin, die unter römischer Herrschaft aufgewachsen ist. Auch mein Volk ist besiegt und geschlagen worden. Ich weiß, welches Unrecht hier geschehen ist, ich kann verstehen, dass es Aufstand und Unmut gibt.«
»Ja, das glaube ich dir. Weiter.«
»Ich habe einen Ofensetzer und einen Gehilfen, beide stammen aus dem gallischen Volk, haben Familien und Verwandte hier in der Gegend. Es ist leicht für mich,
ihnen Botschaften mitzugeben. Cullen besucht mich regelmäßig, und auch ihm kann ich alles erzählen, was ich höre.«
»Die Möglichkeit hast du.«
»Ulpia Rosina ist so großzügig, mir ihr Vertrauen zu schenken. Ich bin häufig ihr Gast in der Villa, wenn Ihr in der Colonia weilt.«
»So ist das also!«
»Ja, Dominus, so ist das. Wir unterhalten uns über viele Dinge des Haushalts, manchmal sind jedoch auch Gäste da, die darüber sprechen, wer in die Colonia kommt oder wer sie verlässt. Wir hören von den Vorhaben der Legion, von dem Bau der Wasserleitung, den neuen Befestigungsanlagen und vieles mehr. Genauso ist Caesar Nervas Nachfolge eines der Themen, über die gesprochen wird. Man sagt, dass Ulpia Rosinas Verwandter, Traianus, der Statthalter von Niedergermanien, von ihm adoptiert werden soll.«
»Du bist gut informiert für eine Töpferin.«
»Ja, ich informiere mich. Und ich habe mehr als eine Gelegenheit, mein Wissen weiterzugeben. Ihr seht, ich kann Euren Vorwurf nicht entkräften.«
Über die gelbliche Flamme hinweg sah Valerius Corvus sie nachdenklich an. Dann leerte er seinen Becher.
»Gieß mir noch Wein ein, Barbarin. Und trinkt auch selbst davon.«
»Er ist schwerer, als ich ihn gewöhnt bin. Verzeiht, wenn ich ihn mit Wasser verdünne.«
»Du bist also eine Verräterin. Ein kluger Zug von dir, es so darzustellen. Du zwingst mich, dich entweder mit Schimpf und Schande zu vertreiben oder Gegenargumente zu suchen, um deine Unschuld zu beweisen.«
»Tut, wie Ihr wünscht, Dominus.«
»Ich habe den Verdacht, dass du womöglich bei einem
Barden die Wortklauberei gelernt hast. Mit deiner verdammten Nachgiebigkeit setzt du
Weitere Kostenlose Bücher