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Der Siegelring - Roman

Titel: Der Siegelring - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Mitternacht, als das Mondlicht durch die Läden fiel, befand Feli, dass es einer Katze unwürdig war, die wichtigste Jagdzeit zu verschlafen. Sie stand auf und bemühte sich, ihre menschliche Bettgenossin zu überreden, ebenfalls an den nächtlichen Vergnügungen teilzunehmen. Ihr Erfolg war mäßig. Annik wurde zwar wach, murrte aber darüber, dass ihr heftig an den Haaren gezerrt wurde. Maunzend sprang Feli vom Bett und forderte eine geöffnete Tür.
    »Quälgeist!«, sagte Annik, stand auf und stolperte zitternd in der kühlen Nachtluft zur Tür. Sie öffnete sie einen Spalt, Feli schlüpfte hinaus und verschmolz mit den Schatten des Hauses. Annik wollte die Tür sofort wieder schließen, als ein fernes Geräusch ihre Aufmerksamkeit weckte. Ein Pferd näherte sich der Villa, und kurz darauf rief eine barsche Stimme am Tor nach dem Pförtner. Der aber schien zu tief zu schlafen, als dass er davon geweckt werden konnte. Annik drehte sich um und tastete nach ihren Sandalen. Sie hatte die Stimme erkannt, und wenn sie sich auch wunderte, dass Valerius Corvus zu so später Stunde und offensichtlich alleine und unangekündigt eingetroffen war, so hatte sie doch keine Bedenken, ihm das Tor zu öffnen. Sie legte die Palla über
ihre kurze Tunika, in der sie an kalten Tagen schlief, und eilte zur Hauptpforte. Der Riegel war schwer, aber sie bekam ihn hoch. Als der Torflügel aufschwang, ritt der Hausherr hinein, verhielt aber sein Pferd und starrte auf sie herab.
    »Töpferin Annik, wen hast du erwartet, dass du so bereitwillig das Tor in der Nacht öffnest? Wo ist dieser verfluchte Pförtner? Was ist hier vorgefallen?«
    Annik blieb ruhig trotz der wütend hervorgestoßenen Worte.
    »Ich öffnete Euch, weil ich Eure Stimme erkannte, Dominus. Der Pförtner scheint zu trunken zu sein, um durch Euer Rufen wach zu werden. Und vorgefallen ist hier nichts.«
    Valerius Corvus brummte und stöhnte dann plötzlich auf.
    »Doch, es ist etwas vorgefallen. Siehst du dies hier?«
    Er deutete auf seinen Oberschenkel. Entsetzt erkannte Annik, dass der Schaft eines Pfeiles daraus hervorragte.
    »Ihr seid verwundet! Kann ich Euch helfen, Dominus?«
    »Weiß ich nicht. Bist du kräftig genug, um mir von diesem elenden Gaul zu helfen?«
    »Gewiss. Stützt Euch auf meine Schulter, Dominus. Könnt Ihr das Pferd ruhig halten?«
    Ein vernichtender Blick traf sie, aber das unruhige Tier wurde von starker Hand gebändigt. Valerius Corvus schwang das unverletzte Bein über seinen Rücken, stöhnte noch einmal vor Schmerzen auf und glitt hinunter. Annik war an seiner Seite, half ihm, Stand zu finden, und forderte ihn auf, seinen Arm um ihre Schulter zu legen.
    »Schafft Ihr es bis zu meinem Haus? Ihr könnt Euch dort auf die Bank setzen, während ich das Pferd versorge.
Anschließend kümmere ich mich um Eure Wunde. Oder soll ich Ursa wecken?«
    »Das hier braucht niemand außer dir zu erfahren«, knurrte er. »Zur Bank!«
    »Natürlich.«
    Sie führte ihn die wenigen Schritte und half ihm, sich niederzusetzen.
    »Zäumt es ab und bringt das Tier auf die Wiese hinter der Hütte.«
    Annik tat, wie er es gefordert hatte, und kam nach kurzer Zeit zu ihm zurück. Er hatte sich nicht gerührt, sondern saß mit geschlossenen Augen an die Hauswand gelehnt. Feli rieb ihren Kopf an seinem unverletzten Bein.
    »Dominus?«
    Er schlug die Augen auf.
    »Was ist geschehen?«
    »Was wohl? Das war kein Fehlschuss eines Jägers.«
    »Wann und wo?«
    »Nicht weit von hier. Hinter dem Matronenschrein.«
    »Oh, Ihr kennt den auch?«
    »Natürlich, Barbarin. Und nun tu, was du versprochen hast.«
    »Sofort. Ich muss nur noch etwas richten. Ich helfe Euch gleich ins Haus.«
    Annik nahm die Pferdedecke und das Zaumzeug mit hinein, zog die Laken auf ihrem Bett zurecht und legte ein trockenes Holzscheit auf die Glut in ihrem Herd.
    Valerius Corvus ließ sich von ihr und mit Hilfe seines Stockes zu ihrem Bett führen und lehnte sich dann an die Polster, die sie ihm in den Rücken schob.
    »Kannst du den Pfeil herausziehen?«
    »Sicher.« Sie holte die Lampe und begutachtete den Schaft. »Ein germanischer Jagdpfeil, vermute ich. Hoffentlich hat er keine Widerhaken. Ihr wollt kein Aufhebens
darum machen, aber - erwartet Euch jemand in der Villa?«
    »Nein.«
    »Wenn Ihr nicht die Diener wecken möchtet oder mit - äh - bloßem Gesäß ins Haus gehen wollt, dann müssen wir Eure Beinkleider retten. Ich kann sie nicht zerschneiden. Also werde ich den Pfeil entfernen, aber dann

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