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Der Sieger bleibt allein (German Edition)

Der Sieger bleibt allein (German Edition)

Titel: Der Sieger bleibt allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paulo Coelho
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sei verhext, und keiner traute sich mehr, das Amt anzunehmen. Die Stadt hatte keinen Herrscher, Chaos machte sich breit. Die Bewohner kamen zu dem Schluss, die Monarchie habe sich überlebt, und sie schickten sich an, ihre Gebräuche zu ändern. Die Loya Jirgah erinnerte die Bevölkerung nun an ihre weise Entscheidung: Nicht sie habe das Volk gezwungen, eine Wahl zu treffen, sondern sie hatte die Ambitionen derer ins Leere laufen lassen, die Macht um jeden Preis wollten.
    Just zu diesem Zeitpunkt erschien ein junger Mann, der glücklich verheiratet und Vater von drei Kindern war.
    »Ich nehme das Amt an«, sagte er.
    Die weisen Stammesfürsten versuchten, ihn mit dem Hinweis auf die Risiken von seinem Vorhaben abzubringen: Er habe doch Familie, und sie hätten die Regeln nur erfunden, um Abenteurer und Despoten vom Thron fernzuhalten. Doch der junge Mann ließ sich nicht beirren, und der Loya Jirgah blieb nichts anderes übrig, als sich bis zur Umsetzung ihrer eigenen Pläne weitere vier Jahre zu gedulden.
    Der junge Mann wurde ein ausgezeichneter Herrscher; er war gerecht, verteilte den Reichtum besser, senkte den Preis für Lebensmittel, veranstaltete Volksfeste zum Jahreszeitenwechsel, unterstützte Handwerk und Musik. Doch jede Nacht verließ eine große Karawane von Pferdegespannen, deren Ladung mit Juteplanen bedeckt war, den Ort. Niemand wusste, was sie transportierten.
    Und sie kehrten nie zurück. Anfangs glaubten die Weisen der Loya Jirgah, der Staatsschatz würde geplündert. Doch sie trösteten sich mit dem Gedanken, dass die Gespanne des jungen Mannes nicht weit kommen würden, denn sie befanden sich an einem der ungastlichsten Orte der Erde. Sie versammelten sich abermals und beschlossen: Lassen wir ihn gewähren. Sobald seine Herrschaft zu Ende ist, gehen wir zu der Stelle, an der die Pferde vor Erschöpfung zusammengebrochen und die Kutscher verdurstet sind, und holen uns alles zurück.
    Sie machten sich also weiter keine Sorgen und warteten geduldig.
    Und nach Ablauf der vier Jahre musste der junge Mann vom Thron steigen und die Stadt verlassen. Aber die Bevölkerung murrte, denn sie hatte lange keinen so weisen und gerechten Herrscher gehabt!
    Aber die Entscheidung der Loya Jirgah war unumstößlich. Der junge Mann ging zu seiner Frau und seinen Kindern und forderte sie auf, ihn zu begleiten.
    »Ich werde mitkommen«, sagte die Frau. »Aber lass wenigstens die Kinder hier, damit sie überleben und später unsere Geschichte erzählen können.«
    »Vertrau mir!«
    Da die Stammestraditionen streng waren, blieb der Frau nichts anderes übrig, als ihrem Mann zu gehorchen. So bestieg also die ganze Familie die Pferde, verabschiedete sich von den Freunden, die sie während der Regierungszeit des jungen Mannes im Ort gewonnen hatte, und ritt zum Stadttor hinaus. Die Loya Jirgah triumphierte, weil selbst die vielen Verbündeten nicht verhindern konnten, dass das Schicksal des Königs und seiner Familie besiegelt war. Nun würde niemand mehr wagen, den Thron zu besteigen, und die Weisen der Loya Jirgah würden wie früher den Herrscher wählen.
    So schnell sie konnten, würden sie sich den Schatz wiederholen, der jetzt in drei Tagereisen Entfernung in der Wüste liegen musste.
    Die Familie des letzten Herrschers ritt schweigend dem Tal des Todes zu. Die Frau wagte nichts zu sagen, die Kinder verstanden nicht, was geschah, und der junge Mann schien in Gedanken versunken zu sein. Sie kamen über einen Hügel, durchquerten einen ganzen Tag lang eine riesige Ebene und schliefen oben auf dem nächsten Hügel.
    Im Morgengrauen wachte die Frau auf – sie wollte ihre letzten Tage nutzen und den Anblick der Berge ihrer Heimat genießen, die sie so liebte. Sie stieg bis zum Gipfel, um von dort in die menschenleere Ebene zu schauen, die sie dort zu sehen erwartete. Und kam aus dem Staunen nicht heraus.
    Die Karawanen, die in den vier Jahren nachts aufgebrochen waren, hatten weder Juwelen noch Geld mitgenommen.
    Sie hatten Backsteine, Samen, Holz, Dachpfannen, Stoffe, Gewürze, Tiere, traditionelle Gerätschaften zum Brunnenbau mitgenommen.
    Vor ihren Augen erstreckte sich eine schöne neue Stadt.
    »Das ist dein Reich«, sagte der junge Mann, der inzwischen aufgewacht und ihr nachgestiegen war. »Seit ich von dem Beschluss der Loya Jirgah gehört hatte, war mir klar, dass es unmöglich sein würde, in vier Jahren wiedergutzumachen, was Jahrhunderte der Korruption und schlechter Verwaltung zerstört hatten. Aber ich war

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