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Der Sieger bleibt allein (German Edition)

Der Sieger bleibt allein (German Edition)

Titel: Der Sieger bleibt allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paulo Coelho
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trotz der Kriege, des Hungers in Afrika, des Terrorismus, der Nichteinhaltung von Menschenrechten zu sein: Wie retten wir unsere arme Erde vor all den von der Gesellschaft geschaffenen Bedrohungen?
    ›Ökologie. Den Planeten retten. Wie lächerlich!‹
    Hamid weiß, dass es nichts bringt, gegen das kollektive Unbewusste zu kämpfen. Die Farbtöne, die Accessoires, die Stoffe, die sogenannten Wohltätigkeitsaktionen der Superklasse, die veröffentlichten Bücher, die Musik, die im Radio gespielt wird, die Dokumentarfilme von ehemaligen Politikern, die neuen Filme, das für Schuhe gebrauchte Material, die Biokraftstoffe für Autos, die von Kongressmitgliedern unterzeichneten Unterschriftensammlungen, die von den größten Banken der Welt verkauften Aktienfonds, all das scheint sich nur auf eines zu konzentrieren: den Planeten zu retten. Über Nacht werden Vermögen geschaffen, große multinationale Konzerne bekommen wegen der einen oder anderen in diesem Bereich absolut irrelevanten Aktion Raum in der Presse, skrupellose Nichtregierungsorganisationen buchen Werbezeit bei reichweitestarken Fernsehsendern und erhalten Spenden in Höhe von Hunderten Millionen Dollar, weil alle unglaublich um das Schicksal der Erde besorgt sind.
    Jedes Mal, wenn Hamid in der Presse liest, wie Politiker die globale Erwärmung oder die Umweltzerstörung für ihre Wahlkampagnen ausnutzen, denkt er sich:
    ›Wie können wir so arrogant sein? Der Planet ist stärker als wir und wird es immer sein. Wir können ihn nicht zerstören; wenn wir eine bestimmte Grenze überschreiten, wird er es übernehmen, uns ganz von seiner Oberfläche verschwinden zu lassen, und weiterexistieren. Warum sagen die Politiker nicht: ›Wir können nicht zulassen, dass der Planet uns zerstört?‹
    Weil ›den Planeten retten‹ einem das Gefühl von Edelmut und Macht gibt – das Gefühl, dass man etwas tut. Während ›Wir können nicht zulassen, dass der Planet uns zerstört‹ uns in Verzweiflung, Ohnmachtsgefühle stößt, uns die wahre Dimension unserer armen, begrenzten Fähigkeiten aufzeigen könnte.
    Aber so sind nun mal die Ergebnisse der Trendforschung, und die Mode muss sich den Wünschen der Verbraucher anpassen. Die Farbenfabriken beschäftigen sich jetzt gerade mit den besten Farbtönen für die nächste Kollektion. Die Stofffabrikanten suchen natürliche Fasern, die Hersteller von Accessoires wie Gürteln, Taschen, Brillen, Uhren tun alles, um sich anzupassen – oder tun zumindest so, als würden sie sich anpassen –, und alle benutzen Broschüren auf Recyclingpapier, um darzulegen, welche ungeheuren Anstrengungen sie zum Schutz der Umwelt unternommen haben. Das alles wird den großen Modedesignern auf der größten, nur einem Fachpublikum zugänglichen Modemesse mit dem Namen Première Vision (Erster Blick) gezeigt werden.
    Dann würde jeder seine Kollektionen entwerfen, seine Kreativität spielen lassen, und alle würden das Gefühl haben, die Haute Couture sei wahnsinnig kreativ, originell, anders. Nichts dergleichen. Alle befolgen buchstabengetreu, was die Studien der Tendenzforschung sagen. Je wichtiger das Label, umso geringer die Risikobereitschaft, denn die Arbeitsplätze von Hunderttausenden Menschen auf der ganzen Welt hängen von einer kleinen Gruppe, der Superklasse der Couture, ab, die alle sechs Monate aufs Neue überzeugend vorgeben müssen, sie hätten etwas ganz Neues zu verkaufen.
     
    Die ersten Zeichnungen werden von den ›verkannten Genies‹ gemacht, die davon träumen, eines Tages ihren Namen auf dem Etikett eines Kleidungsstücks zu sehen. Sie arbeiten etwa sechs bis acht Monate, anfangs nur mit Papier und Bleistift, dann stellen sie Prototypen aus billigem Material her, die aber an Models fotografiert und von den Chefs der Modehäuser kommentiert werden. Von jedem Prototyp werden dann etwa zwanzig für die nächste Modenschau ausgewählt. Nachbesserungen werden vorgenommen: neue Knöpfe, andere Ärmelschnitte, andere Nähte.
    Noch mehr Fotos – diesmal mit sitzenden, liegenden, gehenden Models – und noch mehr Nachbesserungen, denn Bemerkungen wie ›das können nur Models auf dem Laufsteg tragen‹ können eine ganze Kollektion zerstören und den Ruf des Labels aufs Spiel setzen. Während dieses Prozesses werden einige der ›verkannten Genies‹ einfach auf die Straße gesetzt, ohne Abfindung, denn sie machten schließlich nur ein ›Praktikum‹. Die Begabteren müssen ihre Kreationen mehrmals überarbeiten und dabei

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