Der Sieger bleibt allein (German Edition)
immer im Sinn haben, dass, mochte ihr Modell noch so erfolgreich sein, nur der Name des Labels erwähnt werden würde, nicht der Name des Designers.
Alle nehmen sich vor, sich eines Tages zu rächen. Alle sagen sich, dass sie eines Tages ihr eigenes Label schaffen und dann anerkannt werden würden. Aber in der Zwischenzeit lächeln und arbeiten sie weiter, als wären sie begeistert, weil die Wahl auf sie gefallen ist. Noch mehr Leuten wird gekündigt, je näher die endgültige Fertigstellung der Kollektion rückt, und gleichzeitig werden neue Leute eingestellt (für die nächste Kollektion), und am Ende werden aus den anfangs ausgewählten Stoffen die Kleider geschneidert, die auf der Modenschau gezeigt werden.
Als würden sie dem Publikum zum ersten Mal vorgestellt. Was selbstverständlich auch mit zur Legende gehört.
Denn zu dem Zeitpunkt haben Weiterverkäufer aus der ganzen Welt bereits ihre Fotos von den Models in allen nur möglichen Positionen gemacht, haben alle Einzelheiten, von den Accessoires über den empfohlenen Preis bis zu den Materialien, festgehalten und sich notiert, wo sie das Material bestellen können. Je nach Größe und Bedeutung des Labels wird ›die neue Kollektion‹ dann in größeren Mengen an verschiedenen Orten der Welt produziert.
Dann kommt der große Tag – oder besser gesagt, kommen die drei Wochen, die den Beginn einer neuen Ära einleiten (die, wie allgemein bekannt, nur sechs Monate dauern wird). Der Marathon beginnt in London, macht Zwischenstation in Mailand und endet in Paris. Journalisten aus der ganzen Welt sind eingeladen, Fotografen streiten sich um die besten Plätze, alles unterliegt größter Geheimhaltung, Zeitungen und Zeitschriften widmen den Neuigkeiten Seiten über Seiten, die Frauen sind hingerissen, die Männer schauen herablassend auf etwas, was sie nur für eine ›Mode‹ halten, und denken daran, dass sie ein paar tausend Dollar für etwas werden zurücklegen müssen, dem sie keinerlei Bedeutung beimessen, was aber ihre Ehefrauen für die Insignien der Superklasse halten.
Eine Woche später ist das, was eben erst als etwas absolut Exklusives vorgestellt wurde, bereits in Läden auf der ganzen Welt erhältlich. Niemand fragt sich, wie das so schnell gehen konnte.
Aber die Legende ist wichtiger als die Wirklichkeit.
Die Verbraucher bemerken nicht, dass die Mode von denen geschaffen wird, die nur mutmaßlichen Trends folgen. Dass die Exklusivität nur eine Lüge ist, die sie glauben wollen. Dass ein großer Teil der in der Fachpresse gelobten Kollektionen großen Luxuskonzernen gehört, die ebendiese Zeitschriften und Zeitungen mit ganzseitigen Anzeigen unterstützen.
Selbstverständlich gibt es Ausnahmen, und nach ein paar Jahren, in denen Hamid hart kämpfen musste, gehört er jetzt zu ihnen. Und darin liegt seine Macht.
Er bemerkt, dass Ewa wieder ihr Mobiltelefon checkt. Normalerweise tut sie das nicht. Eigentlich hasst sie dieses Gerät, vielleicht weil es sie an eine frühere Beziehung erinnert, von der er wenig weiß, denn sie sprechen nie darüber. Er schaut auf die Uhr – sie können ihren Kaffee in Ruhe austrinken. Er blickt wieder zu dem anderen Couturier hinüber.
Wenn doch nur alles mit einer Besprechung in einer Farbenfabrik beginnen und auf dem Laufsteg enden könnte. Aber so ist es leider nicht.
Der Mann, der jetzt allein zum Horizont blickt, und er sind sich zum ersten Mal bei Première Vision begegnet. Hamid arbeitete damals noch bei dem großen Label, das ihn als Designer eingestellt hatte, obwohl der Scheich bereits eine kleine Armee von elf Personen in Bewegung gesetzt hatte, die die Idee umsetzen sollte, Mode als etwas zu benutzen, was seine Welt, seine Religion, seine Kultur ausdrückte.
»Die meiste Zeit hören wir uns Erklärungen an, wie einfache Dinge möglichst kompliziert gemacht werden können«, hatte Hamid zu dem anderen Couturier gesagt.
Sie waren gerade an den Ständen mit den neuen Stoffen vorbeigekommen, die nach innovativen Techniken und in den Farben hergestellt waren, die in den nächsten zwei Jahren getragen werden würden, an immer noch raffinierteren Accessoires – Gürtelschnallen aus Platin, Clutchbags, die sich auf Knopfdruck öffnen ließen, Armbändern, die mit Hilfe eines brillantbesetzten Kreises millimetergenau eingestellt werden konnten.
Der andere hatte ihn von Kopf bis Fuß gemustert.
»Die Welt war immer kompliziert und wird es immer bleiben.«
»Das finde ich nicht. Und wenn ich
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