Der Sieger bleibt allein (German Edition)
zwei Jahren getan hat, zutiefst bereut. Ewa hatte alles zurückgelassen, auch ihre Kleidung und ihren Schmuck, und ihren Anwalt gebeten, sich mit Igor wegen der Scheidung in Verbindung zu setzen.
Der angegebene Scheidungsgrund: Unvereinbarkeit der Charaktere. Als würden alle interessanten Leute auf der Welt absolut dasselbe denken oder viel gemeinsam haben. Das war selbstverständlich ein Vorwand: Sie hatte sich in jemand anderen verliebt.
Verliebtheit, Leidenschaft. Wer in der Welt kann ehrlich von sich behaupten, dass er nach mehr als fünf Jahren Ehe nicht mal einen Seitenblick riskiert und sich einen anderen Partner gewünscht hat? Welcher Mensch kann von sich sagen, dass er nicht schon mindestens einmal im Leben betrogen hat, auch wenn dieser Betrug nur in der Phantasie stattfand? Und wie viele Männer und Frauen haben deswegen ihr Heim verlassen, dann aber herausgefunden, dass Leidenschaft nicht andauert, und sind am Ende zu ihren wahren Partnern zurückgekehrt? Etwas Reife, und alles ist vergeben und vergessen. Das war vollkommen normal, akzeptabel, gehörte zur biologischen Veranlagung des Menschen.
Selbstverständlich hat auch er das ganz allmählich lernen müssen. Anfangs hatte er seine Anwälte angewiesen, rigoros dafür zu sorgen, dass Ewa nichts von dem Vermögen mitnehmen durfte, das sie in fast 20-jähriger Ehe gemeinsam angehäuft hatten. In der Woche, in der er auf ihre Antwort gewartet hatte, war er durchgehend betrunken gewesen. Das mit dem Geld war ihm eigentlich gleichgültig, es war nur das einzige Druckmittel, das ihm einfiel, denn er wollte Ewa unbedingt wieder zurückhaben.
Ewa war ein anständiger Mensch. Ihre Anwälte akzeptierten seine Bedingungen.
Die Presse erfuhr von dem Fall – und aus den Zeitungen wiederum erfuhr er von der neuen Beziehung seiner Exfrau. Einer der erfolgreichsten Modeschöpfer der Welt, jemand, der aus dem Nichts kam, wie er selber. Um die 40, genau wie er selber. Bekannt dafür, nicht arrogant zu sein und Tag und Nacht zu arbeiten.
Wie er.
Er verstand einfach nicht, wie das hatte geschehen können. Kurz vor Ewas Abreise zu einer Modemesse in London hatten sie zusammen ein romantisches Wochenende in Madrid verbracht. Obwohl sie im Firmenjet gereist und in einem Hotel mit allem erdenklichen Luxus abgestiegen waren, hatten sie beschlossen, die Welt gemeinsam auf ganz einfache Weise wiederzuentdecken. Sie bestellten nirgendwo vor, standen stundenlang vor den Museen Schlange, fuhren Taxi statt in einer Limousine mit Fahrer, gingen zu Fuß und verliefen sich in der Stadt. Sie aßen viel und tranken noch mehr, kamen erschöpft und glücklich ins Hotel zurück, liebten sich wie früher jede Nacht.
Beide mussten sich beherrschen, ihre Notebooks nicht anzuschließen und ihre Handys ausgeschaltet zu lassen. Aber es war ihnen gelungen. Sie waren mit vielen Erinnerungen im Herzen und einem Lächeln im Gesicht nach Moskau zurückgekehrt.
Igor hatte sich wieder in seine Arbeit gestürzt und überrascht festgestellt, dass ohne ihn auch alles sehr gut gelaufen war. Eine Woche später war Ewa nach London geflogen und nie mehr zurückgekehrt.
Igor hatte die besten Privatdetektive beauftragt, die sonst politische und Industriespionage betrieben, und hatte Hunderte von Fotos angesehen, auf denen seine Frau händchenhaltend mit ihrem neuen Partner zu sehen war. Aufgrund seiner Beschreibung war es den Detektiven gelungen, eine maßgeschneiderte »Freundin« für Ewa zu finden. Diese war Ewa dann »zufällig« in einem Kaufhaus über den Weg gelaufen. Sie sei aus Russland gekommen, von ihrem Ehemann verlassen worden, finde wegen der britischen Gesetze keine Arbeit und wisse kaum noch ein und aus. Anfangs war Ewa misstrauisch gewesen, hatte sich dann aber bereiterklärt, ihrer Landsmännin zu helfen. Sie redete mit ihrem Freund, der bereit war, ein Risiko einzugehen und ihr in seiner Firma einen Job anzubieten, obwohl sie keine Papiere hatte.
Sie war Ewas einzige »Freundin«, die ihre Muttersprache sprach. Sie war allein. Hatte Eheprobleme. Den Psychologen der Detektei zufolge war sie die ideale Person, durch die sie alles über Ewa erfahren würden: nämlich, dass diese sich noch nicht an die neue Umgebung gewöhnt und wie jeder Mensch in dieser Situation das Bedürfnis hatte, sich jemandem anzuvertrauen – nicht etwa, weil sie Rat suchte, sondern einfach nur, weil sie ihrem Herzen Luft machen wollte.
Die »Freundin« hatte alle Gespräche aufgenommen, die am Ende auf
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