Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)
bereits in Richtung VIP-Zelt verließen.
„Vanessa, Justin – was muss ich denn all den berühmten Leuten sagen?“, fragte Fabian mit seinem goldenen Gams auf dem kurzen Weg zur VIP-Party. Vanessa schob ihn zuerst auf ihre linke Seite, damit sie zwischen Fabian und Justin ging, und deutete dann auf die Gams.
„Als Erstes würde ich die goldene Trophäe nicht am Hals halten, als wärst du damit auf dem Weg zur Schrottverwertung“, tadelte ihn Vanessa, „und ansonsten sei einfach freundlich – der Rest ergibt sich von selbst.“
„Bin eben nervös“, gab Fabian zu.
„Fahr nächstes Mal langsamer –
no speed, no problems
!“, neckte Jörg, der zusammen mit seiner zukünftigen Frau zu den dreien aufgeschlossen hatte.
Vor dem VIP-Zelt begrüßte der Gastgeber Harti Weihrater die erfolgreichen Rennläufer und ihre Begleitung. Bei ihm warteten bereits die fünf Besten des Super-G vom Vortag. Das VIP-Zelt war eigentlich längst kein Zelt mehr, sondern der Festsaal des Kitz Race Club, aber die Bezeichnung „Zelt“ hatte sich irgendwie gehalten. Beim Eintreten in den Saal wurden die Helden der Skipiste mit einem Tusch angekündigt, die unter dem Applaus der illustren Gäste nach vorne gingen. Der Gastgeber höchstpersönlich stellte sie alle nochmals offiziell auf der Bühne vor. Dort durften die ersten drei auch ihre Trophäe deponieren und dann war Smalltalk mit den Promis angesagt. Dabei blieb Fabian immer in Justins und Vanessas Nähe; das gab ihm etwas Sicherheit. „Fabian Luchsiger, Sieger auf der Streif“ klang seltsam. Auch Justin gab zu, dass er den dauernd von den Leuten hier wiederholten Satz, er sei der beste Liechtensteiner seit Markus Büchel, als vermessen empfand, da er ja noch längst nicht über dessen Leistungsausweis verfüge.
Aber Fabian fand es auch lustig, mit Leuten zu reden, die ihn vorher nicht einmal angesehen hätten, wie beispielsweise Niki Lauda. Eigentlich hatte er sich vorgenommen, dem dreifachen Formel-1-Weltmeister nach seinen homophoben Ausbrüchen um ein schwules Tanzpaar im ORF nicht die Hand zu schütteln, doch wenn der Landeshauptmann von Tirol gleich daneben stand, der steirische Ex-Gouverneur von Kalifornien nur zwei Schritte entfernt gerade Justin gratulierte und ein
Bild
-Reporter sowie jemand vom
Blitz
die Szene beobachteten, ging es nicht, ihn demonstrativ zu schneiden. Lauda reichte die beiden Nachwuchsfahrer an Franz Beckenbauer weiter – allein Günter Netzer konnte wohl ermessen, wie extrem viel der Bayer vom Fußball verstand; er als Skifahrer aus dem „Zigerschlitz“, wie der Kanton Glarus abschätzig von den Unterländern genannt wurde, sei dazu bestimmt nicht in der Lage, glaubte Fabian. Nachdem Beckenbauer den beiden gratuliert und Fabian dem legendären Alt-Bundestrainer Vanessa und Justin artig vorgestellt hatte, wollte der Bayer die drei mit seinem Vornamensvetter bekannt machen. Justin drückte Vanessa schnell sein Smartphone in die Hand, damit sie ein Foto davon schoss, wie der Fußball-Kaiser nun Fabian und ihn dem Ski-Kaiser Franz Klammer vorstellte. Schon schüttelten die drei dem legendären Ski-Rennfahrer die Hand; der hatte die Abfahrt hier am Hahnenkamm viermal gewonnen und es war für die beiden Nachwuchsrennfahrer natürlich eine großartige Sache, von jemandem wie Klammer ernst genommen zu werden. Es fühlte sich für Fabian an wie ein Rausch.
Nun musste sich Fabian sogar ein „freut mich, königliche Hoheit“ abringen. Franz Klammer wollte Vanessa dem britischen Rennläufer Prinz Richard vorstellen. Der charmante junge Mann begrüßte Vanessa mit einem angedeuteten Handkuss. Er war nur ein Jahr älter als Fabian, der sich hinter Vanessa und Justin stellte, weil er dachte, ein Liechtensteiner habe eher Gefühl für die Etikette des Adels. Fabian brachte kaum einen Ton heraus, während die Kamerateams Vanessa mit dem jungen Briten im Bild haben wollten und ihn brüsk zur Seite drängten.
Prinz Richard hatte schon als Kleinkind in Klosters Ski fahren gelernt, erzählte er Vanessa, er nehme in der zweiten Saison im Alpin-Weltcup teil und erreichte bisher Platzierungen im vorderen Mittelfeld. Die Abfahrt auf der Streif sei ihm mit einem fünfzehnten Rang ganz ordentlich gelungen. Fabian nickte nur, obwohl er das schon wusste, denn im Ski-Weltcup kannte eigentlich jeder jeden.
Die Begegnung zwischen den beiden Nachwuchstalenten mit Dame und dem Prinzen war den Boulevard-Bildreporterinnen von der
Sun
bis zum
Blitz
ein Foto wert.
Nach
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