Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)
der beiden kriegt den olympischen Startplatz. Einverstanden Saubi, Cesare?“
Monti schüttelte den Kopf. „Ich habe telefoniert mit meiner Kollegin von Damenteam, die an diesem Wochenende in Garmisch-Partenkirchen waren. Sie konnten gerade noch Rennen fahren. Jetzt Schnee in Bayern ist geschmolzen und das Wetter bleibt eine Woche zu warm, um Schneekanonen unterhalb tausend Meter Höhe einzusetzen. Der Slalom von morgen ist letztes Rennen vor Sotschi.“
„Den Rothaarigen hättet ihr aber auch dann mitgenommen, wenn er am Sonntag im Slalom keine Punkte gemacht hätte – oder habe ich den Anfang falsch verstanden?“, versuchte Jens Chalbermatter nochmals dagegen zu halten. Doch die Chefs hörten ihm nicht mehr zu.
„Das Foto von Fabian, Richard und Justin, wie sie sich gemeinsam auf das Rennen vorbereiten, das ist eine Story!“, freute sich Hans Graber. „Es wurde in der
Bild
, der
Krone
, der
Sun
und im
Blitz
abgedruckt, also auf den Sportseiten aller Boulevardblätter. Die Leute wollen mehr wissen – und vor allem, wie es den dreien in Russland ergehen wird.“
Chalbermatter hatte inzwischen seine Büroklammer mehrmals gerade gebogen und schnippte sie in die Mitte des Seminarraums.
„Schön für Putin und dich, Hans!“, brummte Romani. „Wie wollt ihr jetzt das Problem des Punktegleichstands im Riesenslalom lösen?“
Die Funktionäre blickten einander einen Moment ratlos an und Mayerhofer wuchtete seinen Aktenkoffer auf den Tisch. Er wolle die „Leistungsrichtlinien für Selektionskonzepte“ hervorholen. Chalbermatter hatte inzwischen ein Blatt aufgefaltet: „Kurzfassung Selektionskonzept Olympische Winterspiele Sochi 2014, Sportart: Ski alpin“
,
wie Fabian aus dem Augenwinkel erkennen konnte.
„Darf ich eine Frage stellen?“ Alle blickten wieder zu Chalbermatter, dessen Gesicht eine rötliche Farbe angenommen hatte.
„Romani, was soll eigentlich der Mist auf der dritten Zeile im Abschnitt „Kombination“, ganz unten auf deiner Excel-Tabelle? Es steht in diesem Merkblatt zu den Selektionskriterien, dass in der Superkombination ausnahmsweise zwei Saisons berücksichtig werden sollen, aber es ist nur vom Weltcup und nirgends vom Europacup die Rede.“
Mit einem aggressiven Ruck zog Mayerhofer eine Klarsichthülle ziemlich tief aus seinem Aktenkoffer raus. Daraufhin rumpelte der offene Koffer vom Nachbarstuhl auf den Fußboden, was der Funktionär mit einem abgewürgten „Heiland S…!“ quittierte. Klaus half ihm schnell, das Durcheinander aufzuheben. Immerhin habe er so das seit dem Frühstück vermisste Handy wiedergefunden, versuchte Mayerhofer dem Gesichtsausdruck nach wenig erfolgreich dem Malheur etwas Positives abzugewinnen.
„Zu Jens’ Frage“, fuhr Romani nach der Störung fort. „Fabian und auch Justin hatten nicht dieselbe Chance, da sie ja nicht nach Übersee mitfliegen konnten und letztes Jahr nur je ein Weltcup-Rennen fahren durften, deshalb dachten wir …“, versuchte Romani eine Antwort, während Mayerhofer mit finsterer Miene das Dokument in der Klarsichtmappe studierte.
„Beim Europacup Erster zu werden, ist längst nicht so schwer wie im Weltcup. Du vergleichst Äpfel mit Birnen!“, konterte Chalbermatter.
Graber tippte mit dem Finger auf eine Stelle in Mayerhofers Unterlagen.
„Super, Hans!“, nahm der Grabers Hinweis an. „Jetzt können wir ihn kontern! Zitat: ‚Ausnahmeregelungen für Nachwuchstalente mit hohem Potential sind vorzusehen. Die Selektionsmöglichkeiten in diesem Falle sind so zu formulieren, dass der Selektionsausschuss von Swiss Olympic einen Ermessensspielraum hat
.‘ “
„Das haben wir im Exekutivrat von Swiss Olympic am 26. Juni 2012 in Ittingen so niedergeschrieben“, bestätigte Graber.
„Wohl auf Latein, damit das dumme Sportlervolk es nicht nachprüfen kann“, brummte Chalbermatter ironisch.
„Jens hat in einem recht“, mischte sich die Teampsychologin ein und erntete von Mayerhofer einen bösen Blick dafür, doch sie ließ sich nicht beirren. „Könnten wir die härtere Konkurrenz im Weltcup gegenüber dem Europacup vielleicht dadurch berücksichtigen, dass die Punkte von dort nur halb zählen?“
Es blieb einen Moment still; alle schauten zu den beiden Funktionären.
„Bruno, kannst du das in deinem Excel unverbindlich ausprobieren?“, fragte schließlich Mayerhofer wenig begeistert.
„Jetzt hab ich Luchsiger. Seine 128 Punkte durch zwei gibt nur 64 und ich habe 77“, rechtete Jens Chalbermatter für
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