Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)
an solch einer Sitzung teilnahmen. Ulrichen war eigens für die Sitzung nach Schladming gefahren, obwohl er außer in der Superkombination nie Slalom fuhr.
Justin rutschte nervös auf dem Stuhl hin und her, Monti und die Teampsychologin tuschelten miteinander und Jens Chalbermatter bog mit finsterer Miene eine Büroklammer gerade – den Ausfall gestern Mittag im zweiten Lauf hatte er offensichtlich noch nicht weggesteckt. Fabians Kumpel Justin selbst hatte ja am letzten Wochenende seinen Ausfall im Slalom von Wengen auch nicht besser verarbeitet. Klaus gegenüber spielte Fabian nervös und hörbar mit einem Bleistift, bis ihn Monti scharf ansah. Endlich hörten sie Schritte in der Bar und sogleich den wohlbekannten Kärntner Dialekt ihres Trainers. Mayerhofer ging von Romani weg in Richtung Schiebetür und deutete im Vorbeigehen allen energisch an aufzustehen. Wie eine Schulklasse zu Urgroßvaters Zeiten erhoben sie sich von ihren Plätzen.
Der sechzigjährige Funktionär mit einem Feuermal auf der hohen Stirn trug einen perfekten dunkelblauen Anzug und war im Vergleich zu den Skirennfahrern ein eher kleiner Mann. Vor langer Zeit war er ein berühmter Kunstturner gewesen, glaubte sich Fabian zu erinnern. Der Funktionär mit Sitz im IOC begrüßte kurz Mayerhofer und Romani, die er bereits zu kennen schien. Nun stellte ihm Mayerhofer das ganze Alpin-Herren-Team vor, angefangen bei der Teamärztin Janette Rochat und dann immer weiter, bis der hohe Funktionär vor Fabian stand und zum Sieg und dem zweiten Platz vom vergangenen Wochenende gratulierte.
„Da war auch eine Menge Glück dabei, besonders gestern im Slalom – danke, Herr Doktor“, gab sich der Rothaarige scheu-höflich.
„Justin Bend aus Liechtenstein, er trainiert mit uns. Er ist dieses Rennwochenende je Fünfter in Abfahrt, Slalom und Kombination geworden“, stellte Mayerhofer den nächsten vor.
Nun blickte der Mann mit dem Feuermal Justin an. „Sie waren in Kitzbühel zweimal Fünfter, Justin? Die Fünf scheint Ihre Glückszahl zu sein. Liechtenstein ist stolz auf Sie – weiter so!“
„Danke, Herr Doktor Graber, ich werde mich weiter bemühen“, antwortete Justin knapp und noch unterwürfiger als Fabian kurz zuvor.
„Jonny Ulrichen – die Gelassenheit des erfahrenen Profis und jugendlicher, ungestümer Erfolgshunger stehen dicht nebeneinander“, lobte der Doktor. „Was für ein Symbol! Beides gehört zu einem erfolgreichen Team.“
„Da stimme ich Ihnen zu, Herr Doktor“, antwortete Jonny, der ja bereits so lange dabei war, dass er Graber bestimmt schon begegnet war. Als Doktor Graber und Mayerhofer mit der Vorstellung bei Klaus und den anderen Helfern angekommen waren, wurde Fabian von Jonny angetippt.
„Grabers Rede über alt und jung war wohl deine Nominierung – gratuliere“, flüsterte er.
Nachdem die Vorstellung aller Teammitglieder beendet war, durften sich alle setzen. Das Aufstehen und Setzen war im Schweizer Militär üblich, wo Mayerhofer ein Oberst war, erklärte sich Fabian das schulmeisterliche Verhalten.
„Ich darf Ihnen die Grüße und die Glückwünsche unseres Sport- und Verteidigungsministers, des Bundesrats Christoph Stutz, übermitteln“, begann Doktor Graber mit einer kleinen Ansprache. „In einem heute geführten Telefongespräch würdigte er die konstante Leistung von Jonny Ulrichen und gratulierte Fabian Luchsiger zu diesem außerordentlichen Wochenende. Das Herz möchte natürlich jedem Sportler hier im Team die Reise nach Sotschi gönnen. Doch dort treffen sich die Besten der Welt und die Eidgenossenschaft will keine Exoten mit Schweizer Kreuz sehen. Ich zitiere aus dem Selektionskonzept Swiss Olympic.“
Er gab Romani ein Zeichen, auf die nächste Power-Point-Folie umzustellen. Die offizielle Kurzfassung des Konzepts wurde nun gezeigt.
„Ich zitiere das Wichtigste für die Disziplinen Abfahrt, Super-G, Riesenslalom, Slalom und Super-Kombination“, begann der Experte vorzutragen. „Alle Wettkämpfe, die in der Zeitspanne vom 26. Oktober 2013 bis heute dem 27. Januar 2014 stattfanden, dienten dem Fachverband zur Beurteilung und Begründung des Selektionsantrages an Swiss Olympic, hier vertreten durch niemand geringeren als Hans Graber. Für die Super-Kombination wird die vergangene Saison mit in das Selektionsverfahren einbezogen.“
„Damit ich Sie Herrn Graber als Aktiver für Sotschi vorschlagen darf“, fuhr Mayerhofer fort, „müssen Sie in den Weltcup-Rennen in der von Bruno genannten
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