Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)
Hier würden alle Rennen dieser Sportart enden, denn die Pisten liefen hier zusammen. Dort erwartete sie auch Monti, der an einer Teamleitersitzung hatte teilnehmen müssen.
Stas und Saubauer folgten gleich darauf, denn mehr als die Beschwerde weiterleiten konnten sie ja nicht. Jonny meinte zu den Nachwuchsfahrern, solche Anlaufschwierigkeiten seien nichts Besonderes und sie sollten sich deswegen keinen Kopf machen.
Nach den Materialtests und dem Angewöhnen an die hiesigen Schneeverhältnisse kehrten sie am späteren Nachmittag zurück in das olympische Dorf. Dort empfing die Teamärztin Janette die Rennläufer, um ihnen zu erklären, was bei der Ernährung in der Kantine zu beachten sei. Sie und ihre Kollegen aus den anderen Teams hätten die Küche beraten und würden sie auch beaufsichtigen, berichtete sie.
Fabian und Justin mussten nach dem Abendessen die von Jonny Ulrichen gemachten Aufnahmen und Navigationsdaten von der Pistenbesichtigung in ihre Software überspielen. Normalerweise führte Romani diese Arbeiten aus, doch der Experte und Co-Trainer steckte in der Krisensitzung wegen des Baumstamms. Alle anderen Teammitglieder kamen mit der Software nicht so gut zurecht. Sie mussten die Bilder, die das System während Saubauers Erklärungen geschossen hatte, entfernen, damit während der simulierten Abfahrt der Trainer nicht an den unmöglichsten Orten auf der Piste stand. Nachdem sie diese Arbeit abgeschlossen hatten, konnten sich die Athleten auf die kurzen, vom Computer kontrollierten Skier stellen, die 3D-Brillen auf die Nasen setzen und die simulierte Olympiapiste heruntersausen. Ein großer, leicht gebogener Bildschirm zeigte die Piste, die Landschaft und die Fahrt aufgrund der Bewegungen auf den kurzen Skis recht realistisch. So konnten Fabian und die anderen Skirennfahrer mit diesem Gerät die taktisch klügste Linie virtuell einstudieren.
Jonny ließ es bei einer Fahrt auf dem Simulator bewenden und meinte, solcher Computerspielkram würde ihn mehr verwirren als ihm helfen. Das Wissen um die optimale Linie sei nur einer von mehreren Bausteinen zum Erfolg. Man müsse sie mit der zur Verfügung stehenden Kondition, auf die Pistenverhältnisse optimiertem Material und mit virtuoser Beherrschung der Ski auch fahren können. Bei Letzterem gäbe der Simulator eben nur andeutungsweise das Gefühl einer echten Fahrt. Ein Kampfpilot könne zwar Standardmanöver und die Beherrschung der Instrumente im Simulator einstudieren, aber keine enge Kurve bei Überschall fühlen, die ihm fast das Bewusstsein raube. Genauso sei es hier. Er ging deshalb lieber mit der älteren Generation in ein klassisches konditionserhaltendes Training, während die Jüngeren weiter mit dem Simulator arbeiteten. Gegen zehn Uhr machten sie Schluss mit den Übungen und Fabian meinte zu Justin, eine halbe Stunde E-Gitarre spielen wäre ein guter Tagesausklang.
„Du musst Florian zum Chillen mit deiner Gitarre einladen. Eine Beziehung kommt nicht von alleine“, riet ihm Justin.
Einen Moment zögerte Fabian, denn er wusste nicht recht, wie sein Zimmergenosse Richard darauf reagieren würde, und zudem befand er sich in einem Land, in dem Schwule nicht toleriert wurden. Aber der Wunsch, mit Florian seine Musik zu teilen, war stärker als alle Bedenken. Also schickte er dem hübschen, blonden Schwarzwälder eine Einladungs-SMS.
Der erste Tag im olympischen Dorf war nach Justins empfinden anstrengend verlaufen. Fabian hatte seinen Rat befolgt und Florian aufs Zimmer eingeladen, um ihm beim Entspannen mit der E-Gitarre zuzuhören. Justin hingegen war zu aufgedreht, um seinen Kopfhörer im Verstärker einzustöpseln und den Rock- und Punkklängen zuzuhören, zudem mussten Richard und er sich um ihre E-Mails kümmern. Von Vanessa hatte er nur ein dürres „wünsche einen guten Start“ im Postfach, während er aus Richards entrücktem Lächeln schloss, dass dieser eine ausführlichere Nachricht von ihr erhalten hatte. Das erinnerte ihn daran, dass ihm ja seine Alibifreundin gekündigt hatte. Beim Blick zu Fabian und Florian dachte er an seinen WG-Genossen Julio. Er konnte sich nicht an einen vergleichbaren Moment mit ihm erinnern. Beim Spanier ging es gleich um Sex, beinahe bevor der seinen Partner nach dem Namen gefragt hatte. Zudem hatte Vanessa wohl recht, dieser Spagat zwischen dem vermeintlich heterosexuellen Skirennfahrer und dem offen schwulen Leben in Zürich konnte nicht lange gutgehen.
Was sagte die Presse zu Fabian? War ein
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