Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)
Outing im Rennsport vielleicht doch nicht so schlimm, wie er immer gedacht hatte? Im
Blitz
-Online
wurde selbstverständlich davon berichtet. Die Kommentare der politisch rechts stehenden Leserschaft gingen von „wen interessiert’s?“ bis „warum müssen die Schwulen immer rumerzählen, wie sie es treiben?“. Letzteres war ja sowieso falsch, denn Fabian hatte dem
Blitz
nichts freiwillig erzählt. Google-News listete für „Schwuler Skirennfahrer“ neben dem
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bereits mehrere Dutzend weitere Treffer, vor allem in Deutschland und der Schweiz. Die angelsächsische Presse hatte das Thema erst beiläufig aufgegriffen, wenn über Prinz Richard berichtet wurde; wie er im Dorf wohnte und wer hier seine engsten Freunde waren. Fabian und Florian waren ja nicht die ersten offen Schwulen, die an den olympischen Spielen teilnahmen. Trotzdem, Fabians Nähe zu Richard hatte die Nachricht aus dem deutschen Sprachgebiet in die Welt hinausgetragen. Ein Schwuler in einer sogenannten harten Sportart, wie Ski-Alpin, war noch nicht selbstverständlich.
Die schwulen Nachrichtenportale, die in der Liste vorkamen, konnte Justin nicht über das WLAN des olympischen Dorfs abrufen, da eine Firewall alles Schwule als verbotene
adult sites –
als pornographische Internetportale – klassifizierte. Wenigstens waren LGBT-Nachrichtenseiten via Smartphone abrufbar, dessen Datenstrom ja übers Mobilnetz lief und nicht gefilter wurden. Da war das nächste Ärgerliche zu lesen. Die Meldungen endeten immer ähnlich, weder von der Schweizer noch von der deutschen Delegation sei etwas Offizielles dazu zu erfahren gewesen.
Fabian nach seiner Meinung zu fragen, traute er sich nicht. Wenn der und Florian sich mit seiner Gitarre entspannen konnte, anstatt sich beim Surfen im Internet über die Homophobie mancher Leute aufzuregen, umso besser, denn sein Ski-Kumpel sollte sich seine Außenseiterchance auf eine Medaille nicht durch Ablenkungen verderben lassen. Die deutsch- und englischsprachigen russischen Medien hatten das Thema noch nicht aufgegriffen. Also waren vorerst keine Probleme mit Stas und den anderen Gastgebern zu erwarten. In einer Umfrage neulich hatten sich über die Hälfte der Russen dafür ausgesprochen, Schwule ins Gefängnis oder in eine Anstalt zu stecken. Deshalb fürchtete Justin, Fabian und Florians Outing wäre bei den Einheimischen nicht gut angekommen. Er selbst war er jetzt zu müde, um weiter nachzuforschen oder mit seinen Kollegen darüber zu reden.
Als sie später alle drei im Dunkeln lagen, dauerte es ein paar Minuten, bis Fabian dann doch das Thema anschnitt: „Richard, wie du bestimmt inzwischen weißt, war ich heute in der Boulevardpresse. Wie kommt man damit klar?“
„Mit dem Hahnenkammsieg bist du eben prominent geworden“, erklärte Richard gelassen. „Mein Tipp: In Internetforen gilt ja:
don’t feed trolls
– und das gilt auch bei dieser Art von Journalisten. Ignoriere es einfach!“
„Richard, was denkst du über Schwule?“, fragte Fabian.
„Luchsi, mach dir keine Sorgen wegen mir. Ich bin Fan von Sir Elton John und durfte ihn und seinen Mann schon öfter beim Tee begrüßen. Ein sehr angenehmes Paar. Morgen findet das erste offizielle Training statt. Wir sollten jetzt schlafen.“
Über Nacht hatte man den Baumstamm ins Alpine Center geschleppt und das erste offizielle Training konnte wie geplant stattfinden. Fabian, Richard und Justin waren keine Trainingsweltmeister, sie landeten im Mittelfeld des Klassements. David Koslow fuhr allen davon; er kannte die Piste ja auch viel besser als seine Konkurrenz. Immerhin war Jonny Dritter geworden, so fielen für die Schweizer Presse Justin und Fabian nicht so sehr auf. Dem Training hatte Ruedi Mayerhofer beigewohnt. Saubauer musste ihn beruhigen, in Kitzbühel sei es auch ähnlich gewesen – die Jungen müssten sich eben an eine neue Piste erst herantasten, meinte er.
Nach diesem ersten offiziellen Training am Donnerstag waren alle müde, als sie zu Edcham in den Bus stiegen, der sie die kurze Strecke vom Alpine Center zurück zum Dorf fahren würde. Conradin und Patrik setzten sich mit zwei Sitzreihen Sicherheitsabstand zu Fabian, argwöhnte Justin.
„Besiegt und geschlagen das tapfere Heer?“, fragte der Chauffeur besorgt.
„Nur etwas abgespannt. Für uns ist ein Platz zwischen zehn und fünfzehn im Training in Ordnung“, meinte Justin.
Auf dem Parkplatz unterhalb des Männerdorfes lungerten ein paar Paparazzi mit ihren Teleobjektiven
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