Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)
empfehlen, weil dabei die Hose nass wird und er sich erkältet, aber wir sind ja keine Anfänger.“
„Ist alles relativ“, meinte Richard und entschied sich trotzdem, es Justin nachzumachen. Fabian blieb beim offiziellen Skianzug. Er zog sich zum Anziehen ins Badezimmer zurück, was Justin und Richard merkwürdig fanden, aber er wollte die Toleranz seines britischen Zimmergenossen gegenüber ihm als Schwulem nicht zu sehr auf die Probe stellen.
Die teuren Abfahrtski würden sie erst am Nachmittag beim Materialtest zu Gesicht bekommen. Im Ski-Rechen vor dem Haus standen nur ihre privaten Tourenski. Bei manchen hatte Klaus wohl schon in der Früh den zu großen Markenschriftzug mit einem breiten Klebeband abgedeckt. Fabian verstand nicht, was das nun sollte, denn eigentlich erlaubte das Reglement eine handelsübliche Markenbeschriftung. Vielleicht war ja über Nacht etwas geändert worden.
Stas hatte einen Motorschlitten mit zwei Anhängern organisiert, auf sie Platz nehmen und die Ski in spezielle Halterungen stecken konnten. So wurden sie zur nahegelegenen Gondelbahnstation transportiert. Es handelte sich um eine Mittelstation. Hier mussten die Touristen aus dem Tal umsteigen, um ihre Fahrt weiter hinauf zum Aibga-Grat fortsetzen zu können. Die meisten Gondeln waren besetzt und das erweiterte Schweizer Alpin-Team war froh, dass die Helfer den vom Tal heraufführenden Bahnabschnitt anhielten, damit Olympioniken für die aufwärts führenden Gondeln nicht anstehen mussten. Ein gutes Zeichen, dass sich etwas Ähnliches wie die Moskauer Leichtathletikweltmeisterschaft vor leeren Zuschauertribünen nicht wiederholen würde, jedenfalls hoffte das Stas, als sie mit ihm in einer Sechsergondel zum Grat hinauf unterwegs waren. Dabei erwähnte er auch, dass sich unter den Helfern hartnäckig das Gerücht halte, Vladimir Putin persönlich werde dem Abfahrtslauf am Sonntag beiwohnen. Nach einer weiteren Umsteigestation kreuzte die Gondelbahn die Piste. Es wurde noch präpariert und Fabian konnte eine größere Gruppe Journalisten erkennen, auch der ARD-Reporter Garchinger befand sich darunter. Die würden an einer Führung teilnehmen, die der berühmte Schweizer Skipistenarchitekt Bernhard Russi persönlich leitete, entnahm Stas seinem Tablet-Computer. Der Blick aus der Gondel bot einen ersten Blick auf eine Schlüsselstelle, das sogenannte Russian Trampoline
.
Das Gespräch drehte sich nun selbstverständlich darum, wie man diese Stelle am besten meistern sollte.
Von der Gipfelstation auf 2300 Meter Höhe genossen die Touristen die Aussicht über den westlichen Kaukasus bis hinab zum Schwarzen Meer.
Dreihundert Höhenmeter schräg unterhalb der Gipfelstation wurden sie erwartet. Stas hatte seit dem letzten Frühjahr seine Skitechnik offensichtlich stark verbessert und konnte jetzt problemlos mithalten, fiel Fabian bei der Fahrt hinab zum Starthaus der Olympia-Männerabfahrt auf. Das war gut so, denn bei der Absperrung zur Rennpiste gab es bereits Probleme. Saubauer hatte verdächtige Messinstrumente mitgenommen, ein professionelles GPS-Satellitennavigationsgerät und Instrumente, um von Klaus die Schneebeschaffenheit bestimmen zu lassen. Die russischen Sicherheitsleute störte vor allem das mitgebrachte professionelle GPS, das auch von Spionen verwendet würde. Die schriftliche Genehmigung dafür lag leider bei Montis Unterlagen im Zimmer.
Doch nachdem Stas mit den Sicherheitsleuten ein paar Worte auf Russisch gewechselt hatte, gaben sie den Weg frei.
Den Sommer über hatte der Pistenbauer Bernhard Russi noch letzte Korrekturen angebracht, deshalb war es für das Team wichtig, die Daten zu aktualisieren und in den mit dem Lastwagen hierher transportierten Simulator einzuspeisen.
Jonny als der Erfahrenste schnallte sich den „GPS-Rucksack“ an. Die Bilder und die Position einer auf einem Helm montierten 3D-Kamera würden mit dieser Ausrüstung zentimetergenau festgehalten werden. So könnten sie sich am Simulator die taktisch klügste Linie besser einprägen.
Einen nicht als Sportreporter akkreditierten Fotojournalisten, der Richard aufgelauert hatte, verwies die Sicherheit energisch in den Zuschauerbereich außerhalb der roten Zäune. Dieser führte ziemlich steil und vereist links weg, was dem Fotoreporter einer berüchtigten englischen Boulevardzeitung ein
„oh dear!“
entlockte, welches Richard wiederum mit einem kurzen schadenfrohen Grinsen quittierte.
Danach setzte sich die Gruppe langsam in Bewegung. Ein
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