Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)
in die Grundschule gehen. Die im Flugzeug und auf der Zugsreise aufgestaute Energie musste raus.
Als die beiden Snowboarder aus dem Flugzeug sowie Fabian, Richard, Florian und Justin beim für die Sportler aus den Alpenländern vorgesehenen Haus angekommen waren, erwarteten sie nicht nur russische Gastgeber, sondern auch Saubauer. Der fragte die Jungmannschaft, ob er einen Schneesturm nicht mitbekommen hätte, so voll Schnee wie sie war, und ob sie wenigstens gewonnen hätten, was aber leider nicht der Fall war. Der Trainer mahnte seine „Kindsköpfe“ zur Eile, sie sollten warm duschen wegen der Erkältungsgefahr nach der Schneeballschlacht.
Das ging aber alles nicht ganz so schnell. Im Männerhaus der deutschsprachigen Alpenländer, in dem auch Richard untergebracht war, hatten die Gastgeber im Eingangsbereich einen Begrüßungs-Umtrunk vorbereitet. Dort stießen die jungen Athleten mit Organgensaft auf einen sportlichen Wettkampf an. Hans Graber und Ruedi Mayerhofer zusammen mit einem Präsidiumsmitglied des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) genehmigten sich hingegen Wodka.
Graber erklärte in einer kurzen Ansprache, Bundesrat Stutz besuche heute das olympische Dorf an der Küste und würde nach Gesprächen mit dem russischen Sportminister am Abend in die Schweiz zurückfliegen, er werde aber ab dem Riesenslalom in der zweiten Wettkampfwoche bis zur Schlussfeier bei den Schneesportarten anwesend sein. Er selbst sei angenehm überrascht, wie vollzählig sich die Athleten dieses Mal schon am ersten Tag im olympischen Dorf eingefunden hatten. Der IOC-Funktionär hielt es für ihre Pflicht, sich anschließend gleich unters olympische Fußvolk zu mischen.
Fabian fiel auf, dass Mayerhofer ihn ignorierte und zu einer Gruppe Freestyler abdriftete. Der Funktionär nahm ihm möglicherweise die Szene im Flugzeug übel. Hoffentlich hatte das nichts Schlimmeres zu bedeuten. Der Umtrunk begann bald zu zerfallen; die Athleten waren ja schließlich nicht im Ferienlager. Schon wurde Florian zu seinem Trainer gerufen und Janette, die Ärztin, winkte Fabian, Richard und Justin aus dem Gedränge in der Empfangshalle heraus. Sie mussten präventiv etwas gegen eine mögliche Erkältung schlucken und die Ärztin schaute sich genau ihre Ohrläppchen und Nasenspitzen an, ob da nicht Symptome einer Erfrierung zu sehen seien, fand aber nichts. So lange hatte die Schneeballschlacht schließlich nicht gedauert.
„
Vous trois et H
ä
usle
, ihr wart eben zu sehen auf SNI“, erklärte die Teamärztin aus Chamonix bei dieser Gelegenheit.
„SNI? – Nie gehört“, meinte Fabian und betrachtete misstrauisch die Pastille, die ihm Janette in die Hand gedrückt hatte.
„SNI, ça veut dire Sport News International. Es wird betrieben gemeinsam vom berühmtesten amerikanischen, britischen und arabischen Nachrichtensender und ist ausschließlich auf international interessanten Sport spezialisierten Sender und eben billiger einkaufen zu können die Übertragungsrechte“, erklärte sie.
Saubauer reichte Fabian, Justin und Richard eine Schlüsselkarte. „Einzelzimmer wurden nach Alter und nicht nach Adel verteilt. Ihr habt zu dritt ein Apartment.“
Ihr Zimmer war in eine Wohnküche, ein Badezimmer und ein Schlafzimmer mit drei Betten aufgeteilt. Die Russen hofften offensichtlich, die Häuser später als Ferienwohnungen vermieten zu können. Das Gepäck hatten die Gastgeber bereits auf den Betten abgestellt und zu Fabians Beruhigung war auch die E-Gitarre heil angekommen.
Nach einem Besuch im Fitnessraum fand Fabian Zeit, das Instrument auszupacken und das digitale Effektengerät aus dem Rucksack hervorzuziehen, den Kopfhörer einzustöpseln und die Welt für eine halbe Stunde lang zu vergessen. Justin durfte mit einem zweiten Kopfhörer ein paar Minuten reinhören, entschloss sich aber bald, im Internet die Nachrichtenlage zu checken. Genau das wollte Fabian eben nicht tun, sondern vor dem Einschlafen sich mit Musikmachen entspannen und sich nicht mit Nachrichten über sein Zwangsouting noch nervöser zu machen.
Die Trainingszeit
Am nächsten Morgen mussten sie sich nach dem Frühstück und einem leichten Konditionstraining warm anziehen, denn die Nacht war klar und kalt gewesen. Justin wollte sich unter der 501er-Jeans einfach lange Unterhosen anziehen und so an der Besichtigung teilnehmen.
„Jeans auf der Piste? Geht das denn?“, fragte Richard.
„Einem Anfänger, der öfter mal in den Schnee fällt, würde ich das nicht
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