Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)
Sportler verstand nicht recht, warum er etwas nehmen sollte. Jonny klärte ihn auf, dass er, als er vor acht Jahren Gold im Super-G gewonnen hatte, am anderen Tag um diese Zeit sein Bett noch unberührt gelassen habe. Monti glaubte gehört zu haben, dass Koslow alle Vormittagstermine abgesagt habe, da er erst bei Sonnenaufgang vom Feiern zurückgekommen sei. Fabian war nicht überzeugt, dass Koslow die Silbermedaille feierte. Vielleicht würde er nur seinen Frust über den abermals weggeschnappten Sieg in Wodka ertränken. Doch er wollte keine Gerüchte in die Welt setzen und behielt das lieber für sich.
Bald wurde es Zeit, auf die Piste zu gehen. Fabian musste dringend noch einen Abstecher ins WC gleich neben der Mensa machen, bevor er den Trainingsanzug gegen die Skiausrüstung tauschen konnte. Er entschloss sich, nicht das Pissoir zu benützen, sondern eine Kabine, damit ihm niemand sexuelle Belästigung anhängen könnte.
Als er danach die Hose wieder hochzog, hörte er, wie jemand die Nachbarkabine betrat.
„Hallo, Olympiasieger“, hörte er Edcham hinter der Trennwand. „Du mir noch schulden zehn Euro, wegen Wette. Du und nicht Pesenbauer haben gewonnen.“
„Ja, ist gut!“, antwortete Fabian. In seiner Brieftasche konnte er aber nur Zwanzig- und Fünfzigeuroscheine finden. Also schob er eben einen Zwanziger unter dem Spalt hindurch zu Edcham. „Der Rest ist Trinkgeld für deine Dienste im Bus.“
„Danke! Sag mal. Du bist nicht mehr Bub. Willst du machen Wette für richtige Männer? Sagen wir, ich wette zwanzigtausend Euro auf Luchsiger besser als Rang zehn in Kombination. Du also kriegst zwanzigtausend, wenn bist schlechter als Platz neun.“
„Quatsch! So viel Geld hast du nicht!“, antwortete Fabian genervt.
Der Abchase schob einen offenen Umschlag halb unten durch. Viele Tausendeuroscheine schauten daraus heraus. Stas hatte letzte Nacht recht gehabt. Der Busfahrer musste für eine Wettmaffia arbeiten. Fabian wollte nur noch aus dieser Toilette raus und rannte weg, bis er am Eingang der Mensa beinahe mit dem entgegenkommenden Ruedi Mayerhofer zusammengestoßen wäre.
„Der Busfahrer wollte mir auf der Toilette zwanzigtausend bezahlen, damit ich die Kombination verbremse!“, platzte Fabian gleich raus.
Mayerhofer schaute erst misstrauisch den jungen Olympiasieger an, ging aber dann doch mit ihm nachsehen. Wie zu erwarten fanden sie auf der Toilette keine Spur von Edcham und dem Geld. Nur Simon Pöschl und irgendein Snowboarder machten dort das, was man üblicherweise auf einer Toilette tut.
„Ab jetzt übernehme ich das“, entschied Mayerhofer, als sie wieder im Freien waren. „Die Konkurrenz versucht psychologischen Druck auf Sie auszuüben, Fabian. Ich traue ihnen eine weitere Medaille zu. Aber nur, wenn Sie sich ab jetzt ausschließlich auf den Sport konzentrieren und solche Störversuche ausblenden.“
Er klapste Fabian aufmunternd auf die Schulter. Der musste sich nun beeilen, um nicht zu spät am Versammlungsort des Teams einzutreffen.
Die Miliz
Das Musketier-Ritual schien Bend und Prinz Richard und vor allem Luchsiger zu helfen, für den bevorstehenden Abfahrtslauf der alpinen Kombination wieder die Konzentration zu finden, obwohl sein Spielkamerad Häusle im Slalom am Morgen eingefädelt hatte und deshalb ausgeschieden war. Luchsiger hatte als Führender des Slaloms die Chance auf eine zweite Goldmedaille. Für einen jungen Sportler in der ersten Weltcup-Saison musste das eine enorme nervliche Belastung sein. Deshalb verkniff sich Saubauer dieses Mal eine spitze Bemerkung zu dem aus seiner Sicht nach wie vor kindischen Verhalten des Rennläufernachwuchses. Sogar Pesenbauer, den Saubauer nur zu gern in seinem eigenen Team sehen würde, hatte diesmal bei dem Ritual mitgemacht – da es ja offensichtlich helfe, wie er erklärte. Richard überzeugte im Abfahrtslauf und blieb sogar in Führung, bis der Vierte aus dem Slalom, Koslow, im Ziel angekommen war und den Prinzen von der Spitze verdrängte. Nun startete der Franzose DuPond, danach würde Pesenbauer ins Rennen gehen und zum Schluss musste Luchsiger zeigen, ob er die Führung aus dem Slalom verteidigen konnte. Es war für alle eine ungewohnte Situation, dass bei der Superkombination zuerst der Slalom und dann die Abfahrt durchgeführt wurde, doch der Sturm war am Morgen einfach zu stark gewesen. Aber jetzt vor einer sich nähernden Kaltfront hatte der Wind auf Südwest gedreht und der von West nach Ost verlaufende
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