Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)
Helfer hier im Starthaus, die wie hypnotisiert dem Lauf des besten Österreichers zuschauten, hoffen natürlich auf die dritte Variante, nämlich, dass Koslow oben auf dem Stockerl bleiben würde. Pesenbauer brachte aus dem Slalom sechsunddreißig Hundertstel Vorsprung auf den Herkules des Kaukasus mit. Klaus schob Fabian nun zur Zeitschanke und klapste ihm nochmals auf den Rücken.
„Na, Saubi? Was sagst du zum Pesi?“, frohlockte Saubauers Berufskollege Wolfgang Sinowatz beim Anblick der Fahrt seines Schützlings.
„Sein Vorsprung ist ja schon fast dahin“, kommentierte Saubauer trocken Pesenbauers Zwischenzeit vor dem Zielsprung. Der Österreicher blieb beim Sprung kompakt und ging sofort nach der Landung in eine aerodynamisch perfekte Hocke. Sinowatz wollte schon vor Freude aufschreien, als Pesi auf der Ziellinie Grün angezeigt wurde.
„Vorsicht, Wolfgang, schau in die Gesichter der Einheimischen!“, mahnte ihn Saubauer. „So, Bursch, jetzt hol das Gold! Fahr, fahr, fahr!“, feuerte er Fabian an, als die letzten paar Sekunden an der Zeitschranke piepsten. Kaum war Fabian gestartet, warf der Starthelfer sein Headset wütend in den Schnee. Koslow hatte nur Silber – höchstens!
„Der Fabian ist ein scheuer, verschlossener Typ, aber wenn er Rennschnee unter den Ski hat – das nenn ich angriffig gefahrene Eiskurven im Accola Valley, Wolfgang!“, kommentierte Saubauer. Sein Trainerkollege Sinowatz schaute erstarrt zu und wurde erst wieder etwas lockerer, als der Glarner im Estonian Tube nach der hohlen Gasse zwei Zehntel hinten lag.
„Das war zu erwarten, nachdem dein Bursch’ mit der warmen Ader jeden Abend ein Gaudi mit dem zarten Deutschen und dem blondierten Guide hat. Der Russe himmelt die beiden und den Bend an, da ist der Begriff
Fan
eine Untertreibung.“
„Das sind Sitzungen linker Studenten!“, fuhr ihm Saubauer knapp über den Mund. Der Gleichstand beim Sprung unter der Seilbahn durch ließ seinen geschwätzigen Kollegen zum Glück wieder verstummen – bis zur Zwischenzeit, die mit zwanzig Hundertsteln grün angezeigt wurde.
„Ja, bist du deppert! Das muss an dem verfluchten Zauberspray liegen, das ihr verwendet!“, fluchte der Österreicher und wandte sich einen Moment lang vom Bildschirm ab.
„Die Bear’s Brow vorhin hat dein Bursche nicht vorgesprungen und musste deshalb die Hocke aufmachen – daher der Rückstand“, spielte Saubauer vor der Konkurrenz den Einfluss des Nanosprays herunter.
„Der fahrt, du! Der fahrt! I fang an zu schwitzen!“, stöhnte Sinowatz.
Saubauer war selbst sehr angespannt, denn wie schnell die Medaillenträume im Schnee enden konnten, hatte vor ein paar Minuten DuPont allen vor Augen geführt.
„Nein! Wenn er jetzt nicht niederliegt, dann hat er’s g’schafft! Ich kann nicht hinsehen!“, wandte sich Sinowatz wieder vom Bildschirm ab, als für Fabian bei einer Zwischenzeit auf dem Weg zum Lake Jump dreieinhalb Zehntel grün angezeigt wurden. Fabian machte über den Lake Jump einen siebzig Meter weiten Satz auf den linken Pistenrand, aber musste dabei seine kompakte Körperhaltung nur wenig aufmachen. Saubauer ballte die Faust. Das sah gut aus und mit 134.5 km/h fuhr der junge Rothaarige nun exakt dasselbe Tempo wie Koslow an dieser Stelle gehabt hatte.
Einen Meter mehr links hätte Fabian nach dem Zielsprung aufsetzen können und weniger mit den Armen rudern, dachte Saubauer. Da zeigten sich wieder die bekannten konditionellen Defizite. Der Bursche begann müde zu werden, aber sein Rennläufer ging auch wie Pesenbauer vorhin sofort in die Windkanalposition zurück, um auf die Ziellinie zuzuschießen. Die Kniegelenke bildeten einen stumpfen Winkel. So ideal war die Abfahrtshocke nicht mehr. Trotz dieser ersten Anzeichen von Schwäche sollte es reichen! Sinowatz schien weiterhin nicht mehr die Nerven zu haben, hinzuschauen, alle anderen Betreuer und freiwilligen Helfer starrten auf die Bildschirme. Selbst Saubauer spürte, wie die Luft für ihn dünner wurde, je mehr sich Fabians angezeigte aufsummierte Zeit derjenigen von Pesenbauer näherte. Und Ziellinie! Mit dem Slalom zusammen reichte es, obwohl Fabian nur die drittbeste Zeit im Abfahrtslauf gefahren hatte. Aber das war egal – es zählten nur die Summe der Zeiten aus beiden Läufen und vor allem die grün blinkenden 24 Hundertstel und das Goldmedaillensymbol daneben! Ein enttäuschtes Raunen ging durch das Zielhäuschen: Der Herkules des Kaukasus musste sich mit Bronze
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