Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)
hat“, bemerkte Stas sachlich.
„Verstehe. Wenn die Typen dann voll sind und einer ruft, da ist doch der Guide der Schwuchteln, könnte alles passieren“, folgerte Justin.
Stas nickte, fand aber gleich wieder zur guten Laune des Gastgebers zurück. „Keine Sorge, ich habe vorsorglich Ersatzwäsche im Bus deponiert und darf die Personalduschen hier im olympischen Dorf verwenden. He, das war heute ein guter Tag für die Schwulenrechte. Danke!“
Fabian ließ es mit einem unverbindlichen „Danke für deine Hilfe“ bewenden.
„Noch etwas, meine Freunde. Ist euch die Uhr unseres Busfahrers Edcham aufgefallen?“, fragte Stas.
„Du meinst die gefälschte Rolex?“, antwortete Justin.
„Die ist echt! Seid vorsichtig! Gute Nacht“, wünschte der Russe.
Fabian verstand nicht, was der Hinweis auf die Rolex sollte. Wollte Stas damit andeuten, Edcham sei ein Taschendieb? Dass der Student seinetwegen die Nacht hier im Bus verbringen musste, hatte ihm Angst gemacht. Er war nun nicht mehr nur ein langhaariger junger Kerl aus dem Glarnerland, sondern ein offen schwuler Olympiasieger mit einem engen Freund, der heute selbst ein prominenter Schwuler geworden war. Die beiden Afroamerikaner von 1968 hatten bestimmt nicht nur Freunde und das galt sicher auch für Florian und ihn selbst.
Am nächsten Morgen waren Fabian und seine beiden Zimmergenossen spät dran in der Mensa. Florian war leider am Frühstückstisch bereits von Leuten aus dem deutschen Team umgeben, doch daneben an der langen Tafel hatte jemand mit einem improvisierten gefalteten Blatt für „Swiss Alpin Men“ reserviert. Fabian ließ sich nicht zweimal bitten und setzte sich gleich neben Florian, der zugab, die Reservierung geschrieben zu haben. Fabian war es in diesem Moment egal, dass die Bedienung beim Büffet böse zu ihnen herübersah. Er holte die Liebeserklärungs-SMS zurück und meinte, die werde er sich ausdrucken und einrahmen lassen. Jonny, der sich auf der anderen Seite neben Fabian gesetzt hatte, warf einen Blick drauf und fragte, ob er sich neuerdings mit altägyptischen Hieroglyphen beschäftige. Fabian erklärte ihm zuerst die Smileys in Florians SMS und dann die vielen Klammern in seiner, dass er darin das Engelchen umarme und die parallelen senkrechten Striche würden bei ihm und Florian Skier bedeuten, das Gleichheitszeichen und das Smiley gleich danach stehe für eine Punk-Frisur. Zusammengenommen ergäbe das Ski-Punk. Jonny schüttelte den Kopf. „Naja, jede Generation Heranwachsender hat ihre Spinnereien und Codes. Aber bei allem Respekt euren Gefühlen gegenüber, muss das mit dem Engelchen wirklich sein? Das ist doch lächerlich! Florian ist kein fünfjähriges Lockenköpfchen, sondern ein hochgeschossener, knapp hundertneunzig Zentimeter langer Kerl und du auch! Ich nenn meine Frau entweder Schatz oder Sandra.“
„Bravo, Jonny!“, pflichtete ihm Patrik bei.
„T’schuldigung!“, antwortete Fabian gereizt.
„Vielleicht sollen wir das Engelchen wirklich bleiben lassen“, gab sich Florian versöhnlicher.
„Florian, wie groß war der Ärger wegen dem gewissen Wort in unserem SNI-Interview?“, wechselte Fabian das Thema und ärgerte sich innerlich, dass er sich überhaupt darauf eingelassen hatte, die private SMS zu erklären.
„Ein paar hohe Funktionäre haben aus zweiter Hand gehört, der deutsche Bronzemedaillengewinner – also Florian – hätte etwas über Hitler gesagt“, antwortete Trainer Hans-Rüdiger Voss. „Das ist richtiggestellt. Na ja, eure allzu deutliche sehr linke politische Einstellung beim Interview mag das Unbehagen noch verstärkt haben. Von einem Sportler hört man nicht so gerne Kritik am IOC und seinen ehemaligen Präsidenten.“
„Gegen Diskriminierung eintreten ist also jetzt plötzlich eine linke Position und nicht mehr eine Grundhaltung des modernen Sportlers, oder was!“, gab Florian zurück. „Im August hat der DOSB unter dem Titel
Fragen und Antworten zum russischen Homosexuellen-Gesetz
zugesichert, wir Athleten dürften uns jederzeit und an jedem Ort frei äußern, beispielsweise in einem Interview.“
„Ich wollte nur klar machen, wie man dein Auftreten gestern ganz oben aufgenommen hat“, wich Hans-Rüdiger aus.
Stas besprach in einer Ecke etwas mit jemandem von Swiss-Ski. Die Dame war von der Pressestelle, aber genau konnte sich Fabian nicht mehr erinnern, was ihre Funktion war. Saubauer lenkte ihn ab, indem er ernsthaft eine Tablette gegen den Kater anbot. Der rothaarige
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