Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)
Stonewall-Aufstand,
peace and love
, Jeans als Kult und all der Kram. Ohne diese Zeit und ihren gesellschaftlichen Fortschritt wären Florian und ich wegen dem Foto im
Blitz
sicher gefeuert worden.“
Die Regie gab grünes Licht und er legte los. Er stellte sich dabei die beiden Typen aus dem Film
Easy Rider
vor
,
wie sie auf ihren Harley Davidsons die Route 66 entlang brettern. Es donnerten jeweils im Sommer genügend
Easy-Rider
-Nachfolger über den Klausenpass gleich neben Braunwald. Deshalb gelang ihm das gut. Der Rhythmus des Stücks war schnell und heiß; er klopfte den Takt mit der Ferse. Eine Nase voll
Steppenwolf
hatte er in diesem Moment gebraucht, nach all dem Gequatsche um Wellen, Sprünge, Hundertstelsekunden und wie er sich jetzt als Sieger fühle.
Als der Song zu Ende war, grinste Jonny und hielt die Faust mit Zeigefinger und kleinem Finger gestreckt hoch, während applaudiert wurde. Es stellte sich im Gespräch heraus, dass Jonny neulich im selben AC/DC-Konzert gewesen war wie Fabian, aber in der riesigen Zuschauermenge waren sie sich damals nicht begegnet. Fabian musste dem Moderator erklären, dass er Jonny über seinen Onkel und Materialexperten Klaus Linthaler schon privat gekannt habe, als er noch ein Bub war in Elm, einem Bergdorf im Kanton Glarus. Seinen Eltern habe er damals immer erzählt, dass er mit Klaus unterwegs sei, wenn er in Wirklichkeit zu den FIS-Jugendrennen ging. Dank seinem Onkel habe er Jonny, den großen Schweizer Skisportler, mehrmals getroffen. Das habe ihn damals motiviert, an den Rennen teilzunehmen. Die Empfehlung des Walliser Skirennfahrers habe ihn später ins Europacup-Team gebracht. Das sei aber bereits nach Umzug nach Braunwald zur Familie Linthaler gewesen. Bei seinem Onkel Klaus habe man ihm die Skirennen, Trainingsgeräte, die E-Gitarre und die langen Haare endlich erlaubt.
„Und jetzt sitzt unser Ski-Punk hier neben mir mit der olympischen Abfahrts-Goldmedaille um den Hals. Verrückt!“, schloss Jonny die Rückblende zu Fabians Jugend ab.
Nach dem Interview gingen die drei Ski-Rennfahrer zurück zu den Gästen des House of Switzerland
.
Die Fans trauten sich nicht, nach Fabians Coming-out zu fragen, obwohl es hier bestimmt ein Thema war. Nur ein
Blitz
-Reporter fragte, wie man sich nach dem Coming-out so fühle, und Fabian meinte, es sei kein Problem, obwohl er sich da nicht sicher war. Graber hatte ja bereits ein Gespräch deswegen angekündigt. Der Sensationsjournalist scheute sich nicht, Justin zu fragen, ob denn das gehe, ein Zimmer und insbesondere die Dusche mit einem Schwulen zu teilen, und ob er sich nicht fürchte, wenn er sich nach der Seife bücken müsse. Justin starrte den Mann lange an und betonte, er hätte keinerlei Problem mit Fabians sexueller Orientierung.
Ein Tusch unterbrach das ätzende Interview. Die ersten paar Takte von
God Save the Queen
wurden gespielt und Richard grüßte in die Menge. Fabian nutzte die Ablenkung der anderen, um schnell auf sein Handy zu schauen, ob Florian eine SMS geschrieben hätte. Das war leider nicht der Fall. Der Prinz redete ein paar Sätze auf Deutsch und erinnerte an die gemeinsamen Wurzeln in Sachen Skisport, als die britischen Touristen die Grand Hotels der Belle Époque auch im Winter füllten und er in Klosters beim Winterurlaub mit seinem Vater und seinen beiden älteren Brüdern mit dem Ski-Virus infiziert worden war – und nun habe er ein echtes olympisches Diplom im Skifahren gewonnen. Inzwischen erhielt Fabian endlich eine SMS:
Bin angemotzt worden, wegen Verwendung des Worts „Hitlergruß“. Du auch? Florian!
Er hielt das Handy versteckt unter dem Tisch, um eine Antwort zu tippen:
Ich noch nicht! Sie wollen aber morgen eine Benimm-dich-Sitzung abhalten. Fabian.
Die Schweizer Fans applaudierten kräftig und höflich, aber Richard als Brite war eben nur Gast im Schweizer Team. Leider war der Reporter noch immer in ihrer Nähe, als sich Richard zu Fabian und Justin setzen wollte, und der Prinz wurde prompt gefragt, was er denn vom schwulen Zimmergenossen halte. Richard wurde zuerst bleich, wohl aufgrund seiner Paparazzi-Phobie, vermutete Fabian, überlegte einen langen Moment, um sich einen politisch korrekten Satz zurechtzulegen, denn bei der britischen Delegation, wo er wohl herkam, war es wahrscheinlich kaum abstinent zugegangen.
„Damit habe ich kein Problem. Jetzt möchte ich aber mit echten Fans plaudern und keine Interviews mehr geben. Bitte, Sir!“
Endlich zog sich der
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