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Der Silberbaron

Der Silberbaron

Titel: Der Silberbaron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Brendan
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hatte mehreren passenden Bewerbern einen Korb gegeben, da sie keinen von ihnen lieben konnte. Erfüllt von arrogantem Idealismus, hatte sie entschieden, sich mit nichts weniger zufrieden zu geben als mit absoluter Glückseligkeit.
    Emmas goldbraune Augen streiften das Profil vor ihr. Jarrett Dashwood war auf seine Weise durchaus attraktiv, wenn sein Teint auch etwas dunkel war. Sein schwarzes Haar glänzte und war modisch frisiert. Er war mittelgroß und etwas stämmig, doch war seine massige Statur auf Muskelkraft zurückzuführen, nicht auf Korpulenz. Seine Nase war etwas zu scharf, sein Mund eine Spur zu voll und sinnlich, doch insgesamt wirkte er wie ein ehrenwerter Gentleman in den Dreißigern. Jemand, der ihn nicht kannte, wäre nie darauf verfallen, dass sein Vermögen auf Plantagenwirtschaft gründete, auf brutaler Sklaverei, oder dass er als unersättlicher Wüstling galt, von dem man sich erzählte, dass er seine Geliebten schlug, wenn sie sich unbeholfen zeigten. Selbst innerhalb des kleinen gesellschaftlichen Kreises, in dem Emma sich bewegte, sprach man mit verstörter Neugier und Missbilligung von Dashwoods Niedertracht, seiner Rücksichtslosigkeit – und seinem Reichtum.
    In ihrer Kindheit und Jugend war sie ständig mit den Folgen der alkoholseligen Eskapaden ihres Vaters konfrontiert gewesen, ebenso mit den Schimpftiraden ihrer Mutter, wenn wieder einmal ein Stapel Rechnungen unbezahlt blieb. Doch sie waren immer irgendwie durchgekommen. Ein Geschäftsabschluss trug Früchte, eine Wette erwies sich als siegreich, ein mitfühlender Freund lieh Geld zu einem niedrigen Zinssatz. Am Rand der Katastrophe entlangbalancierend, war es ihnen immer gelungen, den Abgrund zu umgehen und wieder festen Boden unter die Füße zu bekommen.
    Zu ihrer Schande musste sie sich eingestehen, dass auch sie ihr Schicksal einfach hingenommen hatte. Als die Streitigkeiten ihrer Eltern in letzter Zeit außergewöhnlich hitzig wurden, hatte sie sich einfach in ihr Zimmer zurückgezogen und bei einem Buch Trost gesucht, als die Mahlzeiten spärlicher wurden, hatte sie eben weniger gegessen, und als ihre Zofe Rosie letzten Monat entlassen wurde, hatte sie ihr zum Abschied traurig ein Geschenk überreicht und sich hinfort selbst um ihre Kleidung gekümmert. Sie hatte die neuerliche Katastrophe durchaus kommen sehen, hatte jedoch unbewusst darauf vertraut, dass es das Schicksal wieder einmal richten werde.
    Vor zwei Abenden hatten ihre Eltern sie zu sich in den Salon zitiert, und da war ihr klar geworden, dass Fortuna sie endgültig im Stich gelassen hatte. Ihr Papa war ihrem Blick ausgewichen, ihre Mutter war pausenlos auf der Stuhlkante herumgerutscht. Das Unbehagen ihrer Eltern hatte ihr einen kalten Schauer über den Rücken gejagt. Nie hätte sie sich jedoch träumen lassen, dass sie sie so herzlos opfern könnten, nur damit ihr extravaganter Vater eine weitere Gnadenfrist bekam.
    Sie müsse heiraten, hatte ihre Mutter entschlossen verkündet, während ihr Papa eine wirre Zustimmung murmelte und sich das Gesicht mit einem Taschentuch abtupfte. Emmas Einwände stießen allesamt auf taube Ohren. Nun wusste sie auch, warum: Der Ehekontrakt war längst besiegelt, das Geld hatte bereits den Besitzer gewechselt.
    Das knarrende Geräusch, mit dem die Tür hinter Jarrett Dashwood ins Schloss fiel, weckte Emma aus ihren traurigen Erinnerungen.
    “Nun, Miss, das hast du ja sauber hinbekommen!”, wurde ihr schrill vorgeworfen. “Weißt du eigentlich, was uns jetzt allen blüht? Dein abgewiesener Bewerber hat deinem Vater soeben einen Aufenthalt im Schuldgefängnis in Aussicht gestellt, und zwar auf unbestimmte Zeit … und uns ein Leben in der nächsten Gosse. Wir sind ruiniert … am Ende!”
    “Mama, wie konntest du nur daran denken, mich einem solchen Ungeheuer zu überantworten?”, gab Emma gebrochen und leise zurück. “Mit der Ehe wäre ich einverstanden gewesen, aber ihr müsst mir gestatten, einen Mann meiner Wahl zu heiraten: jemanden, den ich zumindest respektieren kann, wenn ich ihn schon nicht liebe. Ihr kennt Dashwoods Ruf doch! Man schmäht ihn als Sklaventreiber … und Lüstling. Und trotzdem wollt ihr mich dazu zwingen, mit ihm mein Leben zu verbringen?”
    “Einige der vornehmsten und reichsten Familien dieses Landes haben ihr Vermögen in Jamaika gemacht, und ihr Oberhaupt ist nicht selten ein Frauenheld. Hast du an ihnen allen auch etwas auszusetzen?”, antwortete ihre Mutter bissig. Dann wurde ihr Tonfall

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