Der Silberbaron
weisen Worten dieser guten Frau zu sprechen: ‘Es ist eine allgemein anerkannte Wahrheit, dass ein Junggeselle, der ein beachtliches Vermögen besitzt, zu seinem Glück nur noch einer Frau bedarf’ … ganz gewiss jedoch, sobald ein Teil dieses beachtlichen Vermögens auf seine mittellosen zukünftigen Schwiegereltern übertragen wurde.” Mit derselben aalglatten Gelassenheit fragte er: “Wo ist Ihr Gatte? Holen Sie ihn, wenn ich bitten darf.”
“Mein Mann fühlt sich nicht wohl, Sir.” Die Worte kamen schwach und heiser heraus. “Ich möchte Sie ersuchen, mich ein paar Minuten mit meiner Tochter allein zu lassen. Anscheinend leidet sie an derselben Krankheit wie ihr Vater: Verwirrtheit … konfuse Gedanken …”
“Bei Ihrem Gatten das übliche Leiden, Mrs. Worthington? Ihre Tochter kommt mir allerdings bemerkenswert nüchtern vor.” Jarret Dashwoods seidenweicher Sarkasmus trieb Margaret die Schamröte ins Gesicht. Während sie sich noch vor Verlegenheit wand, richtete sich sein verächtlicher Blick vielsagend auf ihre hausbackene Erscheinung.
Emma beherrschte sich mühsam, ballte die Hände zu Fäusten. Sie hatte nicht die Absicht, sich einschüchtern zu lassen, auch nicht von einem Mann, dessen Ruf als durch und durch verdorbener Wüstling seinesgleichen suchte. Sollte er sie doch von oben bis unten mustern – bestimmt würde er sich alsbald glücklich schätzen, dass er noch einmal glimpflich davongekommen war.
Sie war nie eine gefeierte Schönheit gewesen, auch nicht in ihrer Jugendblüte vor neun Jahren. Als sie mit achtzehn Jahren in die Gesellschaft eingeführt worden war, hatte sie die oberflächlichen Freundschaften und die tief gehenden Rivalitäten zwischen den um die männliche Aufmerksamkeit buhlenden Debütantinnen entwürdigend und ermüdend gefunden. Im Gegensatz zu den anderen jungen Damen hatte sie sich nie aufgeputzt und zurechtgemacht, hatte sich nie die Haare gelockt, die Wangen rot angemalt oder über den neuesten Pariser Modejournalen gebrütet.
Mit ihren hellbraunen Haaren und Augen, ihrem zarten Teint und den feinen Gesichtszügen war sie einfach nicht der Typ, der die Gesellschaft im Sturm eroberte. Dazu war ihre Erscheinung nicht außergewöhnlich genug. Wie ihre Mutter ihr oftmals entmutigt erklärt hatte, war sie in jeder Hinsicht durchschnittlich. Wenn sie doch nur, so seufzte ihre Mutter, ein zierlicher Blondschopf mit rosa Wangen wäre, jemand wie Rosalie Travis, die ein ganzes Jahr lang ergebene Anbeter im Schlepptau gehabt hatte, oder wie Jane Sweetman, eine große Rothaarige mit Porzellanteint, die die Beaus anzog wie eine Akazienblüte die Bienen. Emma hingegen pries die vollkommene Schönheit ihrer besten Freundin Victoria, ihr rabenschwarzes Haar und ihre grauen Augen.
Victoria war nun die Viscountess Courtenay, verheiratet mit dem Mann ihrer Wahl, einem Mann, den sie liebte und der sie seinerseits anbetete. Und genau das wollte Emma ebenfalls. Mit weniger wollte sie sich nicht zufrieden geben. Und da der einzige Mann, den sie je hatte bestricken wollen, gänzlich verarmt, gänzlich unpassend und zudem einer anderen verfallen war, hatte sie sich in ihr zurückgezogenes Leben in Kensington geschickt, wo sie sich am Rand der vornehmen Gesellschaft bewegte und mit ein paar ruhigen Freunden verkehrte, deren Vorlieben und Lebensumstände den ihren glichen.
Was romantische Liebe und Zuneigung anging, träumte Emma von den Helden aus Romanen: Bei ihnen konnte man sich wenigstens darauf verlassen, dass sie das obligatorische glückliche Ende herbeiführten.
Als sie nun Jarrett Dashwoods hölzerne Verbeugung wahrnahm, erwiderte sie sie mit einem leichten Knicks. Er schritt an ihr vorbei und sprach dann leise und eindringlich auf ihre Mutter ein, die an der Tür stand. Emma drehte sich um, um die beiden zu beobachten. Ihr wurde übel, als aus dem hochroten Gesicht ihrer Mutter alle Farbe wich. Kreidebleich stand Margaret Worthington da, den Tränen nahe, und machte eine schwache Geste der Entschuldigung. Emma schloss bestürzt die Augen.
Sie durfte sich nicht unter Druck setzen lassen; sie hatte etwas Besseres verdient. Mit einem solchen Mann verheiratet zu sein, das wäre ihr Ende. Die bloße Vorstellung war ihr widerlich, war ihr doch bewusst, dass sie weitaus würdigere Gentlemen für sich hätte einnehmen können, hätte sie sich in ihrer Jugend nur die Mühe gemacht, Aufmerksamkeit zu erregen und zu flirten, wie es die anderen Debütantinnen getan hatten. Sie
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