Der silberne Buddha
zu verbergen. „Und wo gehst du hin?“ flüsterte sie bleich.
„Ich werde von einem Streifenwagen abgeholt. Du siehst, ich bin in bester Begleitung.“
Als sich Perry Clifton erhob, um nach draußen zu gehen, erschien der Ober mit Dickis Eisbecher.
„Guten Appetit, Dicki. Und paß mir auf Julie auf!“
Dicki nickte stumm und sah seinem Freund nach, bis er hinter dem schweren dunkelroten Samtvorhang vor dem Ausgang verschwunden war.
Sie kamen fast gleichzeitig vor dem Lokal an, Clifton und der Streifenwagen. Am Steuer saß ein ihm unbekannter Sergeant, aber das war ja bei 21 000 Polizisten in London nicht weiter verwunderlich. Perry trat an den Wagen, dessen Scheibe neben dem Fahrer bereits runtergekurbelt war. „Wenn Sie von Inspektor O’Kelly geschickt wurden, um einen gewissen Mister Clifton zum Lengthorn-Hospital zu bringen, dann haben Sie den richtigen gefunden, Sergeant!“
Der Beamte grinste breit und tippte sich an den Mützenschirm. „Steigen Sie ein, Sir. Wir wollen mal sehen, ob wir einen neuen Weltrekord aufstellen können...“
Perry Clifton erkannte Inspektor O’Kelly schon von weitem. Er sah ihn unter einer Kugellampe in der Nähe des Hauptportals stehen. Bevor er den Streifenwagen verließ, sagte er zu dem Fahrer: „Wenn ich jetzt renne, sind Sie daran schuld! Ich glaube, ich habe den Geschwindigkeitsrausch.“
„Hauptsache, es hat Ihnen gefallen, Sir!“ Clifton nickte.
„Mit diesen Fahrfähigkeiten könnten Sie glatt Taxichauffeur in Basel werden!“ 6
„Kommen Sie, vielleicht hilft’s was!“ empfing ihn O’Kelly.
Im Inneren des Gebäudes wartete bereits eine ältere Schwester auf sie, die dann stumm vor ihnen herschritt. Die Geruchsmischung aus Formalin und Lysol legte sich schwer auf Cliftons Magen. Mit dem Fahrstuhl ging es in den ersten Stock, dort durchquerten sie zuerst eine Halle, anschließend einen endlosen Korridor. Die Odyssee endete vor einem Schild mit dem erleuchteten Wort: Intensivstation.
Die Krankenschwester öffnete die zweite Tür zur Rechten, und sie traten ein.
Es handelte sich um einen kleinen, viereckigen Raum ohne weitere Türen. Dafür jedoch war in die linke Wandseite ein gläserner Durchblick eingelassen. Eine dick anmutende Glasscheibe von zwei Metern Breite und einem Meter Höhe. Dahinter ein Krankenzimmer. In einem Bett ein Mann, dessen Kopf von der Stirn aufwärts mit einem dicken Verband versehen war. Unter dem rechten Auge ein großes Pflaster. Dazu Schläuche und an Galgen hängende Flaschen. Das Schonlicht ließ die Hautfarbe des Patienten wächsern erscheinen wie die eines Toten. Durch Perry Cliftons Kopf, und zwar durch jenen Teil, in dem das Gedächtnis Vergangenes speicherte, war ein kurzes Aufflackern gegangen. Doch er konnte den Zipfel der Erinnerung nicht festhalten.
„Kennen Sie diesen Mann?“ fragte Inspektor O’Kelly leise, und Perry versuchte erneut etwas vor seinen Augen lebendig werden zu lassen, was noch nicht lange her sein konnte.
„Wenn Sie ihn in letzter Zeit gesehen haben, könnte das eventuell unseren Fall beeinflussen“, sagte O’Kelly, und Clifton nickte, fast abwesend, noch immer suchend.
„Es ist... es ist mir, als seien mir die Gesichtszüge nicht fremd. Wer ist dieser Mann?“
„Gordon Drake!“
Als sei ein Rollo hochgeschnappt, in so hellem Licht sah Clifton die Situation plötzlich vor sich. Als habe ein Codewort die Erinnerung ausgelöst.
„Herzlichen Dank, Sir!“ hatte dieser Mann dort im Bett zu ihm gesagt, als er mit einem großen Papiersack auf den Schultern durch die Tür gegangen war, die ihm Perry Clifton aufgehalten hatte. Die Haustür, durch die man zu Penny Nichols gelangte.
„Ja, ich habe ihn schon gesehen. Im Haus von...“ ein kurzes Zögern „von Mister Smith.“
Der Inspektor sah enttäuscht drein. „Schade. Woanders wäre mir lieber gewesen.“
„Was ist mit ihm passiert?“
„Ein Verkehrsunfall.“
„Kommt er durch?“
„Ja! Es hat ihn zwar gründlich erwischt, aber wenn keine Komplikationen dazukommen, wird er es überstehen. Der Arzt spricht von einem Wunder. Ich behaupte, daß das Wunder ,Sicherheitsgurt’ heißt. Er war angeschnallt. Kommen Sie, gehen wir.“
Auf dem Wege zum Auto berichtete O’Kelly Clifton, was die Untersuchungen bisher ergeben hatten: „Es ist auf der A 11, von hier aus gesehen drei Meilen vor Harlow entfernt, geschehen. Drake fuhr einen Studebaker. Er ist plötzlich ins Schleudern gekommen, auf die Gegenfahrbahn geraten und frontal auf
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