Der silberne Buddha
Street verlassen konnte. Unwillkürlich beschleunigte dies die Schritte des Chinesen.
Die Toreinfahrt.
Sie war unbeleuchtet.
Er fühlte Unruhe in sich auf steigen.
Von Gordon Drake war nichts zu sehen.
Ohne ihnen besondere Aufmerksamkeit zu schenken, nahm er die beiden dunklen Hauseingänge wahr.
Am ersten schon halb vorüber, spürte er sich plötzlich am Arm ergriffen. Sein Körper wurde mit einem ungeheuren Ruck in den Hauseingang gezogen. Er kam dabei von den Beinen, wurde erneut hochgerissen, von einer zweiten Hand gepackt und schließlich wie eine Puppe hingestellt. Einige Atemzüge lang glaubte der Chinese sein letztes Stündlein gekommen, und der merkwürdige Gedanke durchzuckte ihn, was es doch für ein beschämendes Schicksal sei, wegen läppischer fünfzig Pfund (mehr trug er nicht bei sich) umgebracht zu werden.
Licht schien ihm ins Gesicht. (Gordon Drake hatte auf den Lichtknopf neben dem Klingelschild gedrückt!) Eine Hand riß ihm die Mütze vom Kopf, und eine ihm nicht unbekannte Stimme sagte: „Ich habe es gar nicht gern, wenn man ungebeten hinter mir herrennt.“
Der Chinese sah in Gordon Drakes Gesicht, und Dankbarkeit und Erleichterung überkamen ihn. Er war noch einmal mit dem Leben davongekommen.
„Sie haben mich sehr erschreckt, Mister Drake“, sagte er mit schmerzerfüllter Stimme.
Eilige Schritte näherten sich, bogen zuerst in die Toreinfahrt, dann in den Hauseingang ein. „Du hast ihn also!“
Drake ließ den Chinesen los, und dieser begann sofort die Druckstellen an seinem rechten Arm zu massieren.
„Warum laufen Sie mir nach, warum beschatten Sie mich, Mister Tschiang Fu?“ herrschte Drake den Chinesen an und hielt ihm die heruntergerissene Mütze hin.
„Was, du kennst diesen Burschen?“ staunte Mac Withney.
„Er steht auf der Lohnliste meines Auftraggebers Cheng, — Also los, reden Sie!“
„Sie sind ungerecht. Ich bin nur zu Ihrem Schutz da. Mister Cheng hat gesagt: Geh hin, Tschiang, und wache darüber, daß sich nicht falsche Leute für Mister Drake interessieren.“ Tschiang Fu verbeugte sich kurz vor Mac Withney und sagte dabei: „Ich wußte nicht, daß Sie schon einen Schutz haben.“
„Hören Sie gut zu, Tschiang Fu“, Drakes Stimme klang fast freundlich und stand in seltsamem Kontrast zu seiner eisigen Miene. „Ich passe am liebsten und am besten, wie Sie gesehen haben, selbst auf mich auf. Und wenn Ihrem Herrn und Gebieter Mißtrauen die Nachtruhe raubt, dann soll er sich gefälligst nach einem anderen Partner umsehen. Richten Sie ihm das aus, kapiert?“
Tschiang Fu nickte und erwiderte gehorsam: „Ich werde tun, was Sie wünschen, Mister Drake.“
„Und sollte ich Sie noch einmal in meinem Schatten wandeln sehen“, beißender Spott Hang jetzt in Drakes Stimme auf, „und sei es nur, tun mich zu beschützen, werfe ich Sie in die Themse! Hoffentlich können Sie schwimmen.“
„Warum werfen wir ihn nicht gleich in die Themse, Gordon?“ fragte Mac Withney und langte nach Tschiang Fu.
Der Chinese sprang blitzschnell zurück und versprach: „Ich gehe schon, Mister... Bitte! Sie werden mich nicht mehr sehen!“ Er machte noch eine hastige Verbeugung und drückte sich an Gordon Drake vorbei. Kein Laut war zu hören, als er im Dunkel der Toreinfahrt verschwand. Und wie auf das Zeichen eines unsichtbaren Regisseurs hin verlosch das Licht der Hausgangbeleuchtung.
„Was machen wir jetzt, Gordon? Willst du den Auftrag zurückgeben?“
Gordon Drake schüttelte den Kopf, was Withney allerdings nicht sehen konnte.
„Vielleicht hat Cheng befürchtet, daß ich mich mit dem Vorschuß aus dem Staub machen könnte. Für mich hat sich an der Situation nichts geändert.“ Er tastete nach Withneys Schulter und schüttelte sie leicht.
„Ich fahr’ jetzt in den Spielclub. Willst du mitkommen?“
„Nein, Gordon. Ich fahre nach Rangford zurück. Wozu soll ich Tante Esther unnötig aufregen. Außerdem habe ich nicht einen einzigen Penny zum Verspielen übrig.“
„Du hast dreihundert Pfund im Brustbeutel, Mac. Hast du das vergessen?“ Drake lachte leise.
„Dreihundert Pfund bedeuten für mich sechsunddreißig junge Lämmer. Wenn ich Glück habe, vielleicht sogar noch ein paar mehr.“
„Entschuldige, Mac, ich hatte vergessen, daß du drauf und dran bist, ein ehrlicher Mensch zu werden. Ich würde ja jetzt gern sagen, grüß Tante Esther von mir, aber leider...“
„Ja, leider. Nichts haßt sie mehr als Gauner und Beamte. Und ich fürchte, daran
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